09.03.2016 - Kelterner Forum - Sterben ohne Leiden

Sterben ohne Leiden - Wie geht das? Veranstaltung vom Mittwoch 9. März 2016

Eine Frage, welche die Menschen des gut besuchten Kelterner Forums ganz offensichtlich stark bewegt.

Um die Antwort gleich vorweg zu nehmen: Ganz ohne Leiden geht Sterben in aller Regel nicht, heißt Sterben doch auch immer schmerzlich loslassen und Abschied nehmen. Einig waren sich darin die Referenten dieses Abends, Dr. Peter Engeser, Arzt für Allgemein- und Palliativmedizin Pforzheim, Cornelia Haas vom ambulanten Hospizdienst Westlicher Enzkreis e.V. und Wolfgang Max, evangelischer Klinikseelsorger im Helios-Klinikum Pforzheim. Doch wussten sie zum Umgang und zur Linderung des Leides im Sterbeprozess vieles anzubieten:

Herr Max nahm obige Fragestellung theologisch auf, indem er anhand von Jesu Leben Gottes unbedingte Liebe zum Menschen gerade auch im Leid aufzeigte. Erst in Gottes neuer Welt werde es keine Schmerzen und kein Leid mehr geben.

In der seelsorgerlichen Begleitung gehe es deshalb darum, den Sterbenden mit seinen Ängsten und Fragen zu begleiten und diese mit auszuhalten, Leiden zu lindern, Unversöhntes  anzusprechen, zu vermitteln, und so zu verdeutlichen, dass Gott das Leid zwar nicht immer wegnimmt, aber immer den Menschen im Leid nahe ist.

 

  

Was ist Palliativmedizin? Dr. Engeser stellte zu Beginn seines Vortrages klar, dass es hier nicht nur um Schmerzmedizin gehe, sondern um ein Betreuungskonzept, bei dem Ärzte, Pflegende, Seelsorger, Psychologen, soziale Dienste u.a. ein Team bilden, weswegen "Palliativ-care" auch der treffendere Begriff sei. Palliativ tätig sind vornehmlich Hausärzte und Pflegedienste, die spezialisierte ambulante Versorgung (SAPV) sowie alle, die damit beruflich oder ehrenamtlich zu tun haben.

Umfassend beschreibt es die WHO - Definition von 2002 folgendermaßen:

"Palliativmedizin ist ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen, und zwar durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, untadelige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art."

Dass Palliativmedizin keine Neuerfindung ist, zeigte Dr. Engeser auf, indem er einen weiten historischen Bogen spannte, angefangen bei den Hospizen als Pilgerheime im Mittelalter bis hin zu dem im November letzten Jahres im Bundestag verabschiedeten Hospiz - und Palliativgesetz sowie dem Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung. Er verdeutlichte, dass die Betreuung Sterbender und deren Angehörigen einen Raum benötige, in dem die vielfältigen Ängste und Verunsicherungen aufgegriffen werden und der Erkrankte "sein Haus bestellen kann", um dann auch sterben zu können. Überall in Deutschland wurden deshalb in den letzten Jahren sowohl ambulante als auch stationäre Hospizdienste eingerichtet, deren haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter schwerstkranken Menschen ein würdevolles Leben bis zuletzt ermöglichen wollen. Dabei stehen eine wirkungsvolle Schmerztherapie und Symptomkontrolle sowie eine gute Kommunikation, Versorgung, Betreuung und soziales Leben im Mittelpunkt - bei gleichzeitiger Einhaltung des rechtlich vorgegebenen Rahmens.

Dass es bei der Sterbebegleitung nicht immer nur traurig zugehe, sondern auch gelacht werden und es ein fröhliches Miteinander geben könne, auch darin waren sich alle drei Referenten einig. Auf jeden Fall stelle sie für die Begleitenden eine Bereicherung ihres eigenen Lebens dar.

 

  

Frau Haas begann ihren Beitrag mit einem Zitat von Cicley Saunders: "Du zählst weil Du Du bist. Und Du wirst bis zum letzten Augenblick Deines Lebens eine Bedeutung haben."  Und sie fügte dem hinzu: "und die Welt verändern", die Welt der Angehörigen und der Menschen im Hospiz. Für Frau Haas ist Sterben ein Prozess, der vom Sterbenden gestaltet werden sollte, indem er sich damit auseinandersetzt, was er will und wie er es will. Dazu möchte und kann der ambulante Hospizdienst behilflich sein. Frau Haas stellte ihre Einrichtung vor und verdeutlichte, wie eine solche Begleitung aussehen kann. Dabei sei es wichtig zu wissen, dass Hospiz - Mitarbeitende nur dann tätig werden können, wenn sie gerufen werden, von Sterbenden oder deren Angehörigen genauso wie von Menschen in schwierigen Lebenssituationen, z.B. bei einer schlimmen Diagnose. Wichtig zu wissen sei auch, dass alle Mitarbeitenden der Schweigepflicht unterliegen und es keine Meldepflicht bei Inanspruchnahme des Hospizdienstes gibt. Frau Haas plädierte für ein offenes Umgehen mit dem Thema Sterben, auch wenn es nicht einfach sei. Ein jeder wisse, dass das Sterben zum Leben gehöre und deshalb sollte es nicht verdrängt, sondern die Beschäftigung mit diesem Thema als Gewinn von Lebensqualität verstanden werden. Dazu diene auch eine beim Hospiz erhältliche Vorsorgemappe.

 

  

Sich und andere rechtzeitig darüber zu informieren, welche Vernetzungen es gibt und wie man an Hilfe herankommt sei hilfreich, um dann auch rechtzeitig Kontakt zum Hospizdienst aufnehmen zu können. Damit keiner in einer Notsituation sagen muss:"Ja hätte ich das nur früher gewusst!"

 

  

Bei der in der anschließenden Diskussion aufkommenden Frage nach dem Wunsch  einer aktiven Sterbehilfe in der Schweiz betonten sowohl Herr Max als auch Herr Dr. Engeser und Frau Haas, dass es im Gespräch darum gehen müsse, den Motiven und Ängsten für einen solchen Schritt nachzugehen und sie im besten Falle entschärfen zu können. Oft sei es nicht das Sterben an sich, welches die Menschen belaste, sondern der Weg davor, die Angst vor Schmerzen, vor Abhängigkeit und Fremdbestimmung, vor ungelebtem Leben, Isolation und Einsamkeit, Kontrollverlust, davor, anderen zur Last zu fallen. Doch hier gelte es laut Herrn Max zu bedenken, dass die Selbstbestimmung im Christentum nicht das allerhöchste Gut sei, wir vielmehr auch bedürftig sein, uns versorgen lassen und die Hilfe anderer Mitmenschen in Anspruch nehmen dürfen.

 

  

Ein schwieriges Thema, ein intensiver Abend, der jedem Anwesenden viel Bedenkenswertes mit auf den Weg gab. Weitere Informationen dazu finden Sie unter http://www.hospizdienst-westlicher-enzkreis.de.

Text: Bärbel Storz / Fotos: privat