06.10.2010 - Kelterner Forum - Erkrankung

Auf großes Interesse stieß der Veranstaltungsabend des Kelterner Forums zum Thema "Leben mit einer psychischen Erkrankung - Wie gehen wir damit um". Pfarrer Günther Wacker wünschte bei seiner Begrüßung, der Abend möge dazu beitragen, den Umgang von Menschen im Umfeld psychischer Erkrankungen ein Stück weit "normaler" werden zu lassen. Dass wir Ängste abbauen, etwas falsch zu machen, Sprachlosigkeit überwinden und mehr Verständnis für psychische Erkrankungen und psychisch Kranke aufbringen mögen.

Psychoanalytiker Dr. Friedbert Rieth aus Calw führte in seinem Vortrag aus, dass in der Hirnforschung die "Seele" eine zentrale Rolle in unserer Psyche spielt. Hier ist nicht der theologische, metaphysische Teil gemeint sondern das Organ. Es besteht aus Milliarden von Nervenzellen, die miteinander vernetzt sind und bestimmte Aufgaben haben. Wie alle anderen Organe arbeitet die "Seele", ohne dass wir sie bewusst steuern. Sie ist im Grunde ein riesiges Archiv, in dem alle unsere Erfahrungen von Geburt an gesammelt werden. Sie vermittelt uns, ob sich unsere seelischen Bedürfnisse im Gleichgewicht befinden. Dieses Archiv muss immer wieder aufs Neue aktualisiert und mit neuen Erfahrungen bereichert werden. Etwa ein Drittel aller Menschen haben im Laufe ihres Lebens eine psychische Krise, in der sie Hilfe brauchen. Die häufigste Erkrankung ist mit 20% die Depression. Von den vier Grundbedürfnissen, die wir Menschen haben, ist das wichtigste das Bindungsbedürfnis, also das Bedürfnis nach Beziehung, danach zu lieben und geliebt zu werden.

 

 

Hilfe bekommen psychisch Erkrankte in der Tagesklinik in Pforzheim-Eutingen. Sie wird von Frau Dr. Gabriele Frank geleitet. Aufgenommen werden Menschen in Lebenskrisen, die beispielsweise an Depressionen, Schizophrenie, Angst und Traumata leiden und bei denen das seelische Eigensystem nicht mehr helfen kann. Alltagskompetenzen, Selbständigkeit, Beziehungsaufnahme und das Treffen von Entscheidungen werden gefördert. Frau Dr. Frank spricht hier von der "Lebensschule". Die 30 Patientinnen und Patienten sind von Montag bis Freitag tagsüber in der Klinik und abends sowie am Wochenende daheim. Die Dauer der Therapie ist unterschiedlich, im Durchschnitt etwa neun Wochen.

 

Von links nach rechts: Claudia Kaufmann, Christoph Zastrow, Dr. Gabriele Frank, Dr. Friedbert Rieth (stehend).

  

Claudia Kaufmann und Christoph Zastrow arbeiten als Sozialarbeiter beim Sozialpsychiatrischen Dienst der Diakonie im nördlichen Enzkreis. Sie berichteten von den Erfahrungen ihrer Arbeit mit psychisch Kranken. Ziel der Sozialdienste ist die kostenlose, flächendeckende Beratung und Unterstützung Betroffener und ihrer Angehörigen. Sie begleiten die Menschen und helfen, die Erfordernisse des Alltags zu bewältigen, bieten Gespräche an, wirken einer Vereinsamung entgegen, machen Mut zum Leben, entlasten die Angehörigen und ermöglichen ihnen den Austausch mit anderen Angehörigen. Ziel ihrer Bemühungen ist, dass die Betroffenen lernen, ein selbständiges Leben - mit Unterstützung - zu führen.

Peter Zeppenfeld