16. Sonntag nach Trinitatis / 6. Oktober 2019 / Erntedank
Pfarrerin Martina Lieb

 

Da erging das Wort des HERRN an Elia, er sagte zu ihm: "Geh in die Stadt Sarepta in Phönizien und bleib dort! Ich habe einer Witwe befohlen, dich mit Essen und Trinken zu versorgen." Elia machte sich auf den Weg und ging nach Sarepta. Als er ans Stadtor kam, traf er dort eine Witwe, die Holz auflas. "Bring mir doch etwas Wasser!" bat er sie. Als sie wegging, um es zu holen, rief er ihr nach: "Bring auch etwas Brot mit".
Doch sie sagte: "So gewiß der HERR, dein Gott, lebt: Ich habe keinen Bissen mehr, nur noch eine Handvoll Mehl im Topf und ein paar Tropfen Öl im Krug. Ich lese gerade ein paar Holzstücke auf und will mir und meinem Sohn die letzte Mahlzeit bereiten. Dann müssen wir sterben."
Elia erwiderte: "Geh heim und tu, was du vorhast. Aber backe zuerst für mich ein kleines Fladenbrot und bring es zu mir heraus. Den Rest kannst du dann für dich und deinen Sohn zubereiten. Hab keine Angst, denn der HERR, der Gott Israels, hat versprochen: Der Mehltopf wird nicht leer und das Öl im Krug versiegt nicht, bis ich es wieder regnen lasse."
Die Frau ging und tat, was Elia ihr aufgetragen hatte. Und wirklich hatten die drei jeden Tag zu essen. Der Mehltopf wurde nicht leer und das Öl im Krug versiegte nicht, wie der HERR es durch Elia versprochen hatte.
1. Könige 21, Verse 28 - 32

 

  

Erntedank - Prinzip Hoffnung - Zum Abschluss unseres Brot für die Welt-Jahres

  

Graphik: Brot für die Welt

  

Wer sind wir? Wohin gehen wir? Was erwartet uns? - Viele Menschen fühlen sich verwirrt. Der Boden wankt. Sie wissen nicht warum. Dieser Zustand macht Angst. Die Angst oder das Fürchten kannst Du in diesen Tagen an jeder Ecke der Welt lernen. Aber darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an das Hoffen zu lernen.

Mit diesen Worten beginnt das Buch "Prinzip Hoffnung" des deutschen Philosophen Ernst Bloch, geschrieben zwischen 1938 und 1947. Entstanden also in einer Zeit die Millionen Menschen das Fürchten gelehrt hat. Auch Ernst Bloch. Aber darauf, so schreibt er, kommt es nicht an. Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen. Dennoch. Trotzdem. Gerade jetzt.
Die Witwe von Sarepta lernt das Hoffen durch Elia. "Das was ich habe, kann ich unmöglich teilen" muss sie gedacht haben. Das letzte bisschen Mehl, die letzten Tropfen Öl, daran hängt der letzte Rest meiner verkümmerten Hoffnung. Vielleicht war diese Witwe einmal eine lebenslustige, hoffnungsvolle Frau. Aber als ihre Existenz im tiefsten Grunde bedroht ist, schwindet das Leben - erst aus ihrem Kind und dann aus ihr selbst.
Da steht vor ihr plötzlich der Prophet Elia, ein großer Hoffnungslehrer der damaligen Zeit.

Seine Hoffnungslehre geht so:

  1. Teile was du hast mit dem der es braucht,
  2. setze deine Hoffnung auf den Gott Israels,
  3. er wird dir mehr geben als du dir je vorstellen kannst.

Ich möchte dieses Prinzip Hoffnung nach Elia einmal näher beschreiben:

  

Erstens: Teile, was du hast mit dem, der es braucht.

Echte Hoffnung beginnt damit, dass ich etwas teile. Ich muss nie mehr teilen, als das, was ich zu geben habe. Nicht mehr Zeit, Geduld, Geld, Aufmerksamkeit. Teilen heißt auch nicht alles geben oder mehr als ich verkrafte. Teilen heißt einen kleinen Teil verschenken, abgeben, hergeben, loslassen.

Teile was du hast mit dem, der es braucht. Ganz egal, ob du ihn kennst oder nicht. Ob er Feind oder Freund ist. Anlässlich 60 Jahre Brot für die Welt gab es eine Karte mit dem Spruch: Wir teilen schon seit 1959.

Oft höre ich in diesem Zusammenhang Sätze wie: "Da weiß man doch auch nicht, wo es ankommt. Ob da nicht doch alles mit Werbung und Verwaltung verschluckt wird. Ob das Geld, das ich spende wirklich ankommt? Und ob das wirklich weiterhilft, andern zu helfen, sich selbst zu helfen. Manchmal führt das doch nur zu noch mehr Unfrieden und Konflikten …"
Ja richtig, wenn ich etwas teile, kann ich nie sicher sein, ob der, dem ich etwas gebe, wirklich gut damit umgeht. Ob es letzten Endes wirklich hilft. Oder noch schlimmer: Ob er es wirklich braucht, wirklich ganz echt verdient hat.

Viele gesellschaftliche Gruppierungen spielen genau mit diesem Denken: Denkt erst an Euch. Dir muss es reichen. Alles wird weniger, alles wird knapper. Lege alles auf deinen Teller und schiebe nichts über den Tellerrand hinaus.

Hätte die Witwe von Sarepta sich diese Haltung zu eigen gemacht, sie hätte ihr letztes bisschen Mehl und Öl verbacken und wäre dann zusammen mit ihrem Sohn gestorben. Ihr Haus wäre zu einem weiteren Ort geworden, der uns das Fürchten lehrt.

  

Teile was du hast mit dem der es braucht und zweitens: setze deine Hoffnung auf den Gott Israels.

In der Biographie eines Krebsspezialisten habe ich gelesen: Für meine Patienten erweist sich Hoffnung, echte Hoffnung, als genauso wichtig wie jedes Medikament, jede Behandlung, die ich durchführe. Echte Hoffnung. Für uns Menschen überlebenswichtig.

Im ersten Petrusbrief heißt es: "Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! In seinem großen Erbarmen hat er uns neu geboren und mit einer lebendigen Hoffnung erfüllt. Diese Hoffnung gründet sich darauf, dass Jesus Christus vom Tod auferstanden ist".

Das ist unsere echte Hoffnung - wir haben einen, der von den Toten auferstanden ist. Größer geht es nicht. Aber diese Hoffnung hat einen Haken. Sie lässt sich nicht beweisen - sie muss geglaubt werden. Ich muss darauf mein Vertrauen setzen.
Und wo ich das nicht mehr aus mir selbst kann, wo ich Gefahr laufe mit dem letzten Rest an Mehl und Öl auch meine Hoffnung zu verlieren, da brauche ich einen, der stellvertretend für mich hofft. Teilen macht alleine keinen Sinn - vertrauen nicht und hoffen erst recht nicht.

Wie anders sähe unsere Welt aus, wenn an jeder, wirklich an jeder Ecke, die uns das Fürchten lehrt, eine oder einer stehen würde, der von dieser echten, lebendigen Hoffnung erzählt.

  

Teile was du hast mit dem, der es braucht Setze all deine Hoffnung auf den Gott Israels er wird dir geben mehr als du dir vorstellen kannst.

Erwachsen teilen, hoffen, vertrauen heißt, dass ich akzeptiere, dass nicht alles, was ich tue, so endet, wie ich es für richtig halte, so wie, ich es mir wünsche, so, wie ich es gehofft habe. Wenn ich versuche, etwas Gutes zu tun, dann kann es sein, dass es genau das Gegenteil bewirkt. Oder dass es mir nicht annähernd so gelingt, wie ich gewollt habe. Aber die Konsequenz kann nicht sein, dass ich aufhöre Gutes zu tun.
Erwachsen Teilen, hoffen, vertrauen, glauben heißt, dass ich mich mit allem, was mir gelingt und mit allem was mir misslingt unter Gottes große Verheißung stelle und glaube, dass der Gott Israels durch Jesaja bis heute spricht: Ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden und eine Hoffnung wird von euch ausgehen. 

Amen!