Invokavit / 22. Februar 2015
Diakon i. R. Theo Mosser

   

Liebe Gemeinde,

"Spiel dich nicht auf wie ein kleiner Herrgott!" So lautet die persönliche Übertragung des ersten Gebotes aus der Feder eines Christen mit Humor. Den Politikern im Wahlkampf widmet er sie. Nicht nur den Politikern muss das ins Stammbuch geschrieben werden, es ist eine urmenschliche Versuchung: Sein zu wollen wie Gott, ein bisschen wenigstens.

DIABOLOS, der Teufel heißt der DURCHEINANDERWERFER, der AUSEINANDERBRINGER. Wie einfach und durchschaubar wäre es, wenn dieser Versucher so daherkäme, wie Künstler ihn darstellen, mit Hörnern, Klumpfuß und Gabel - da würden bei uns sofort alle Alarmglocken läuten: Pass auf, der hat nichts Gutes mit dir im Sinn, der DURCHEINANDERWERFER, der AUSEINANDERBRINGER.

Nein, er kommt anders daher, er hat raffiniertere Methoden, auf den ersten Blick ist er nicht zu erkennen. Denken wir an Eva dort im Paradies: "Sollte Gott gesagt haben ... ?" und schon bringt er uns Menschen durcheinander. Und schon bringt er Gott und uns, seine Geschöpfe, auseinander. "Ihr seid doch selber groß, ihr wisst doch selber, was GUT oder BÖSE ist, braucht ihr einen BEVORMUNDER?" Wo das hinführt, das mussten und müssen Menschen seit  jeher immer wieder schmerzhaft erfahren: GUT ist, was mir nützt, was mir Vorteile verschafft, was meine Karriere vorantreibt, meinen Geldbeutel füllt, ohne Rücksicht auf die anderen. Gut ist, seinen Machtbereich auszudehnen, Stärke zeigen, rücksichtslos die Schöpfung ausbeuten, ohne nach den Folgen zu fragen. Gut ist, sich abzuschotten gegen alles Fremde, das von außen kommt und uns verunsichert. Gut ist und bequem, über unsere Verhältnisse zu leben ohne danach zu fragen, welchen Schuldenberg wir unseren Kindern und Enkeln hinterlassen. BÖSE, das sind die, die meinen Interessen im Wege stehen. BÖSE, das sind die unbequemen Mahner, die, die auf die Straße gehen und demonstrieren gegen Fremdenhass, Krieg, Zerstörung und Ungerechtigkeit. "Sollte Gott gesagt haben ... ?" Ach was, wir treffen unsere eigenen Entscheidungen.

Wie können wir diesen Einflüsterungen des Durch- und Auseinanderbringers wiederstehen? Da kann uns die Versuchungs-Geschichte aus Matthäus 11, die für den heutigen Sonntag Invokavit vorgeschlagen ist helfen, ja, sie kann uns zum Staunen und Wundern bringen.

  

Dann wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden. Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger. Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird. Er aber antwortete: In der Schrift heisst es: Der Mensch lebt nicht nur vom Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt. Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heisst in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuss nicht an einen Stein stößt. Jesus antwortete ihm: In der Schrift heisst es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest. Da sagte Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. Darauf ließ der Teufel von ihm ab, und es kamen Engel und dienten ihm.
Matthäus 4, Verse 1 - 11

 

Wie hat Jesus es geschafft, die Stimme in der Wüste als eine Versuchung zu erkennen? Woher nahm er die Kraft, diese falsche Stimme abzuwehren? Und woher hatte er die innere Freiheit, sich entschlossen für den richtigen Weg zu entscheiden - allen Einflüsterungen zum Trotz?

Ein wichtiges Ereignis war gerade der Versuchungsgeschichte vorangegangen: Gott hat Jesus bei der Taufe gesagt: "Du bist mein lieber Sohn …" und Jesus hat die Aufgabe erkannt, die sein Vater ihm gestellt hat: Menschen heil machen an Leib und Seele. Diesen Auftrag hat er auch uns, seinen Jüngern gegeben. Menschen zeigen, dass Gott sie lieb hat und immer wieder darauf hinweisen, dass er es gut mit uns meint und dass wir uns IHM im Guten und Schweren anvertrauen dürfen. Das geht nur, wenn Jesus selber rückhaltlos dem Vater vertraut, wenn er selber in ständiger Verbindung mit Gott bleibt. Das nennt die Bibel glauben. In ständiger Verbindung mit Gott bleiben.

VERSUCHUNG ist alles das, was Glauben zerstören, Vertrauen vernichten, Bindung an Gott zerreißen möchte. Es geht für Jesus in der Versuchungsgeschichte um die Bewährung seines Glaubens.

Nun ist Jesus in der Wüste, 40 Tage lang. Und er hungert. Da kommen Fragen auf: Ist es nicht sinnvoller, die leiblichen Bedürfnisse zu befriedigen, aus Steinen Brot zu machen, um dann mit voller Kraft die ihm vom Vater gestellten Aufgaben anzupacken und mit ganzer Hingabe ihm zu dienen?

Auch wir kennen die Steine in der Wüste unseres Lebens, die wir gerne zu Brot machen würden, wo wir hungern, uns zu schwach fühlen, um unsere Aufgaben erfüllen zu können. Die einen hungern nach mehr Zeit und Muße, Arbeit und Familie lassen sie nicht mehr zur Vernunft kommen. Und wieder andere hungern danach, noch zu etwas nütze zu sein, gebraucht zu werden, Zuwendung und Geborgenheit zu erfahren. Und mancher von uns wird sagen können: Ja, ich kenne auch dieses Aufbegehren gegen die Steine in meinem Leben, die mir im Weg liegen. Heute hören wir den Trost: Jesus selbst hat das auch durchlebt. Er hat dabei erfahren und sich daran gehalten: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Der Mensch lebt von der engen Beziehung zu Gott. Das zeigt sich ganz besonders heute. Obwohl bei uns die Menschen satt werden, ja Überfluss haben, sind viele unzufrieden, sehen keinen Sinn in ihrem Leben. Sie können oder wollen es nicht glauben, dass wir unseren Lebenssinn aus "einem jeden Wort, das aus dem Munde Gottes geht" beziehen und jedes Wort Gottes will uns sagen: Du, ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du gehörst mir. Lass dir an meiner Gnade genügen, ich wirke auch durch deine Schwachheit hindurch. Ist das nicht auch heute immer wieder unsere Versuchung, dass wir es fast erzwingen wollen, dass Gott so unübersehbar eingreift und dreinschlägt, dass alle es sehen und sich überwältigt zu ihm bekennen. Viele fordern Beweise und Sicherheiten um glauben zu können. Es reicht nicht, sagen einige zu Jesus, dass du gute Worte machst, du musst deine göttliche Kraft unter Beweis stellen. Andere fordern: Steig herab vom Kreuz, dann wollen wir dir glauben. Jesus widersteht dem Versucher, der auch in der Gestalt des Freundes Petrus auftritt, um ihn vom Weg ans Kreuz abzubringen: Weiche hinweg von mir, Satan!Die Freiheit, dieser Versuchung widerstehen zu können schöpfte Jesus aus seiner Bindung an Gott. Diese Bindung an Gott hat bei jedem von uns bei der Taufe angefangen: Wie zu Jesus damals am Jordan hat unser himmlischer Vater zu Dir und mir gesagt: Du bist mein lieber Sohn, meine liebe Tochter, ich will dich durch dein Leben begleiten, ich werde bei dir sein auf deinen fröhlichen Wegen, ich werde dir nicht alle Steine aus dem Weg räumen, aber ich werde dich durch steinige Wege führen, ich werde dich am Schweren nicht vorbei, aber hindurchführen. In Zweifel und Anfechtung, in Versuchung und selbst, wenn ich gefallen bin, ich will mich daran erinnern: Ich bin getauft, ich bin in Gottes Hand, "er hat seinen Engeln befohlen, dass sie mich behüten." Dieser Gedanke, des in Gott geborgen und von ihm behütet zu sein, durch zieht alle Lieder, die der Singkreis heute singt: "Wir sind geborgen unter dem Schirm des Höchsten, seinen Engeln hat er befohlen, uns zu behüten auf unseren Wegen ..." In dem Lied: Mein Gott, ich hab auf dich gebaut ..., haben wir gesungen: Wenn ich mich auch in mancher Not in dem verliere, was mir droht: Du gibst mich nicht dem Bösen preis, Herr, deine Güte alles weiß. Ihr Seelen, die ihr ängstlich seid: Gott steht doch längst für euch bereit; dass ihr auf seinen Felsen baut, zeigt Gott, wie sehr ihr ihm vertraut." Das Lied, das wir zum Schluss singen, nimmt das alles auf: "Bewahre uns Gott, behüte uns Gott ..., sei Quelle und Brot in Wüstennot ..."

Vor Jahren habe ich ein Büchlein geschenkt bekommen: "Schenk dir einen Wüstentag." Wenn wir den Begriff "Wüste" hören, verbinden wir damit: Gefahr, Verlassenheit, Anstrengung, Durst Entbehrung. Vierzig Tage und Nächte Wüstenerfahrung, das wird von biblischen Erzählern positiv gesehen, für sie bedeuteten sie: Zeit der Vorbereitung, Zeit des inneren Wachsens, Zeit des Gesprächs mit Gott ohne die vielen störenden Stimmen und Geräusche unseres Alltags. Schenk dir immer wieder solche Wüstentage, zieh dich zurück zum Gebet, komm zu dir selber in der Stille, nimm dich heraus aus der Hektik und Betriebsamkeit unserer Tage, in denen Hast zum Lebensstil geworden ist.

Sonntag für Sonntag kannst du solche Wüstenerfahrungen sammeln im gemeinsamen Hören, Beten, Singen und Feiern, hier in der Andreaskirche, wenn die Orgel erklingt, oder die Sänger und Bläser Choräle singen und spielen von den Mächten, von denen wir wunderbar geborgen sind, von dem Gott, der auch in meinem Leben Wunder tut, von dem Herrn, aus dem alles Leben strömt. Dann wird uns die Stimme des Herrn unserer Kirche einflüstern: "Selig sind die Barmherzigen, die Friedensstifter und Versöhner, die Sanftmütigen und die, die sich für Gerechtigkeit einsetzen". Oder wie der Apostel Paulus es uns in der Jahreslosung sagt: "Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat." Wer auf die Einflüsterungen Gottes - Jahwes - Allahs - hört, wer in enger Verbindung mit ihm bleibt, der kann nicht in den Heiligen Krieg ziehen, der kann nicht Flüchtlinge und Notleidende abweisen, der kann nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, nein, der überwindet Böses mit Gutem. 

Dem Durcheinanderwerfer und Auseinanderbringer mag bei uns manches gelingen, doch eins soll und darf ihm nicht gelingen, nämlich, uns vom Herrn unseres Lebens wegzureißen.  

Amen!