Kantate / 22. Mai 2011 / Konfirmation (Katholische Kirche)
Pfarrer Wolfgang Raupp

  

Liebe Gemeinde und vor allem liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

ich habe vor einiger Zeit eine Ausstellung von Konfirmandenfotos angeschaut, von der Gegenwart bis zur Anfangszeit der Fotografie. Da ist mir aufgefallen, dass vor ungefähr 80 Jahren die Buben alle einen Hut aufhatten. Ich habe mir erzählen lassen: Das war damals so üblich. Vor der Konfirmation haben die Buben "Kappen" aufgehabt - Mützen auf Hochdeutsch - und zur Konfirmationen bekamen sie ihren ersten richtigen Hut. Das sollte ein Zeichen sein: Ihr seid jetzt keine Kinder mehr, sondern junge Männer! Ob die Mädchen auch etwas Entsprechendes bekommen haben, weiß ich nicht. Auf dem Konfirmandenbild habe ich nichts entdeckt.

Liebe Eltern, ihr habt euren Buben heute keinen Hut geschenkt. Aber das Gefühl "Jetzt sind sie keine Kinder mehr!" das gibt es wohl immer noch. Und ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, wie empfindet ihr das? So um die Konfirmation herum wird euch klar: Ich bin jetzt kein Kind mehr, sondern bin schon ein ganzes Stück weit erwachsen.

Auf meinem Konfirmandenfoto - das ist jetzt 50 Jahre alt - sieht man keine Hüte mehr. Aber dieses Gefühl: Jetzt fängt ein neuer Lebensabschnitt an, war bei uns damals auch vorhanden. Viele von uns durften dann auch mehr als vorher. Wenn man vorher zu einem Kindergeburtstag ging, musste man um 8 Uhr abends zu Hause sein. Aber jetzt durfte man abends wegbleiben bis 10 Uhr - und einige haben das bald ziemlich überzogen.

Konfirmation, das ist in der Lebensgeschichte eine Schwelle in einen neuen Lebensabschnitt: mehr Freiheit mehr Selbständigkeit, mehr Selbstverantwortung.

Auch in der Geschichte des Volkes Israel gibt es das Überschreiten einer solchen Schwelle und danach so etwas eine Konfirmation: In Ägypten mussten sie das machen, was man ihnen gesagt hat. Das war die Sklaverei! So schlimm wird es bei euch nicht sein, denke ich mal. Aber ihr seid schon auch abhängig von euren Eltern und müsst machen, was man euch sagt - na ja, jedenfalls wäre es manchmal besser.

Bei den Israeliten kam dann der Auszug aus Ägypten. Gott hat sie da herausgeholt, weil er schon mit Vätern und Müttern einen Bund geschlossen hatte und ihnen versprochen hatte, dass er sich um sie und ihre Kinder kümmern würde. Für die Israeliten war das dann fast so etwas wie eine Taufe. Gott stand von Anfang an auf ihrer Seite. Deshalb hat er sie herausgeholt. Merkwürdig, dass sie diesen Schritt in die Freiheit nicht jubelnd, sondern mit gemischten Gefühlen vollzogen haben: "Wollen wir das denn wirklich: selbständig werden und Selbstverantwortung übernehmen?" Das ist ja auch irgendwie bequem, wenn sich so ein Pharao um einen kümmert - oder eine Pharaonin, die Mutti heißt.

Schließlich mussten sie raus, sonst wären sie umgebracht worden. Das Gehen in die Freiheit war ein langer Weg. Dieser Weg führte sie zunächst an den Berg Sinai. Da hat Gott sie eingeladen, zu dem Bund Ja zu sagen, der von seiner Seite schon lange vorher angefangen hatte. Das war sozusagen ihre Konfirmation, ein Bundesschluss! Da sollten sie ihre Beziehung zu Gott festmachen.

Danach hat Gott sie nicht einfach laufen lassen, so nach dem Motto: "Nun könnt ihr gehen, wohin ihr wollt und machen, was ihr wollt - Tschüs!" Wenn man in die Freiheit und Selbstverantwortung entlassen wird, müsste doch eigentlich wissen, was man jetzt machen soll, damit das Leben gelingt - und was man besser bleiben lassen sollte, damit es nicht schief geht. Darum haben die Israeliten die 10 Gebote bekommen. Das war ihr Konfirmandengeschenk. Für die Juden ist das Gesetz ein großes Geschenk und Grund zur Freude, weil da drin steht, wie das Leben gelingt.

Und dann zogen sie los! Voll Zuversicht, weil Gott ihnen den Rücken stärkt, zogen sie in ein neues Land hinein, ließen das Alte zurück und lebten ihr eigenes Leben. "Yes we can!" Das war ein tolles Gefühl! Städte wurden gebaut und erobert. Häuser wurden gebaut und Felder bestellt. Sie haben einen König bekommen. Unter David und Salomo waren sie das mächtigste Volk in der ganzen Gegend.

Aber dann kamen auch große Krisen. Sie wurden von den Assyrern angegriffen. Dann kamen die Babylonier und haben Jerusalem zerstört und den König und viele Leute in die Gefangenschaft Babylon verschleppt. Manche haben die Hoffnung verloren und sind am Leben und an Gott verzweifelt.

In dieser verzweifelten Lage trat auf einmal ein Mann auf, von dem wir nicht einmal mehr den Namen wissen. Weil er an vieles anknüpfte, was der Prophet Jesaja gesagt hatte, hat man seine Worte in das Buch Jesaja hineingestellt.

In diesem Zusammenhang steht der Satz, den ich euch heute mitgeben möchte:

 

Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.
Jesaja 54, Vers 10

 

Er erinnert die Israeliten an den Bund, den Gott mit ihren Vorfahren geschlossen hat - "an den Bund der Taufe" - um es in unsere Verhältnisse zu übersetzen - und an die "Konfirmation" am Sinai, wo sie selber Ja gesagt hatten zur ausgestreckten Hand Gottes. Und ihr sollt euch auch an das erinnern, was bei eurer Taufe geschah und was heute geschieht. Gibt es das, dass Berge weichen, auf einmal verschwinden, und dass Hügel hinfallen, flach werden, wie ein Pfannkuchen? Ich will euch ein paar Dinge erzählen, die mir dazu eingefallen sind.

Das erste ist eine Erinnerung an meine Kindergartenzeit. Einer von uns hatte eine Radelrutsch, so einen kleinen Holzroller. Wir sind mit dem Ding ein bisschen wild rumgefahren und auf einmal ging ein Rad raus. Ich war ganz erschrocken und habe gedacht: Jetzt fängt mein Freund gleich an, zu heulen, weil sein schönes Spielzeug kaputt ist. Der aber hat alles auf die Seite gelegt und ganz zuversichtlich gesagt: "Der Papa machts wieder!" Schön, wenn als Kleinkind so einen Papa hat, der wie ein Berg ist, so zuverlässig, den nichts umwirft, der alles wieder richten kann. Aber dann ist der Papa immer älter geworden, und der Junge hat die Grenzen seines Vaters immer deutlicher mitgekriegt. Und heute lebt der Papa nicht mehr. Irgendwann kommt man an den Punkt, wo einem der stärkste Papa und die beste Mutti nicht mehr helfen können. Es sollen wohl Berge weichen ... Ihr lacht vielleicht und sagt: Ja so sind die Kinderschüler. Da bin ich schon drüber raus.

Mit meinen 9. Klässlern habe ich vor einiger Zeit das Thema "Freundschaft, Liebe, Ehe" behandelt. Wir haben darüber gesprochen, was ihnen am wichtigsten ist an einem Freund oder einer Freundin. Na ja, den Buben war schon wichtig, dass sie gut aussieht und so. Aber allen war am wichtigsten: die Treue. Man muss sich aufeinander verlassen können! Ich glaube, viele haben gedacht: wenn ich mal jemanden finde, unsere Liebe und Treue wird so stabil sein wie ein Berg. Und dann passiert es doch, dass die Berge hinfallen. Mehr als 1/3 aller Ehen werden heute geschieden. Das ist dann oft, wie wenn ein Berg einstürzt.

Die älteren denken jetzt: So sind sie halt die Jungen, wenn sie verliebt sind. Aber mit 40 herum wird man ganz nüchtern und trifft rationale Entscheidungen. Jemand hat gearbeitet und kann einen Geldbetrag anlegen. Und er sucht sich eine ganz seriöse Bank aus, wo man sich auskennt im Geschäft, und kriegt einen erstklassigen Anlagevorschlag: sehr rentabel und das steht so sicher wie ein Berg. Da kann nichts passieren. Und dann kommt die nächste Bankenkrise und der Berg gerät ins Rutschen. Tausenden ist das passiert.

Der einzige Verlass ist nämlich die Wissenschaft. Und mit Hilfe der Wissenschaft kann man Atomkraftwerke bauen, die wirklich sicher sind. Die Erdbeben erreichen maximal die Stärke 6 und die Tsunami-Monsterwellen werden maximal 4 Meter hoch. Dann legt man das Kraftwerk aus für Erdbebenstärke 8 und für Wellen bis 7 Metern, dann ist das sicher, so sicher wie ein Berg. Und dann kommt ein Erdbeben von Stärke 9 und die Wellen sind 10 Meter hoch. Das hatten die Wissenschaftler für unmöglich gehalten. Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen ... aber mein Bund soll nicht von dir weichen ... Mit dieser Verheißung werde ihr heute auf euren Weg geschickt.

Wenn wir bei eurer Konfirmation schon in der katholischen Kirche zu Gast sind, möchte ich euch an dieser Stelle auf das rote Licht da hinten hinweisen. Man nennt es "das ewige Licht", weil es immer brennt. Es will die Menschen daran erinnern, dass Gott immer bei uns ist im Abendmahl und immer, wenn wir ihn anrufen. Ein sichtbares Zeichen für diese Verheißung: Mein Bund soll nicht von dir weichen!

Da fällt mir noch eine Geschichte, die Jesus erzählt hat: Ein Sohn sagt zu seinem Vater: Ich gehe! Und ich will alles mitnehmen, was du mir geben musst. Und der Vater lässt ihn gehen und gibt ihm sein Erbe mit. So ist Gott!

Dann lebt der Sohn sein Leben, hat seinen Spaß, haut auf die Pauke. Aber eines Tages ist er am Ende seiner Möglichkeiten, weil alles, worauf er sich verlassen hat, zerbrochen ist. Was ihm so sicher vorkam, wie ein Berg, ist umgekippt. Manchmal scheitern wir, im Beruf, in der Ehe, müssen mit einer Krankheit fertig werden, stehen am Sarg eines lieben Menschen.

Da ist der Sohn umgekehrt zu seinem Vater. Der hat ihm nicht die Tür vor der Nase zugeknallt, hat ihn nicht mit Vorwürfen überschüttert, hat ihm nicht einen Platz im Schweinestall zugewiesen. Sondern hat ihn mit offenen Armen empfangen. So ist Gott.

Heute sagt Gott auch zu euch: Mein Bund soll nicht hinfällig werden. Mein Bund, der in der Taufe angefangen hat, ehe du es gemerkt hast. Ich geh mit dir. Ich gebe dir Hinweise, wie dein Leben gelingen kann. Ihr könnt mit mir gehen. Aber ich sperre euch nicht ein. Ihr könnt auch eure eigenen Wege gehen. So ist Gott! Was ihr aus eurem Leben gemacht habt, das war dann halt euer Leben. Aber wenn ihr mich sucht, sagt Gott, bin für euch da. So ist Gott.

Amen.