16. Sonntag nach Trinitatis / 7. September 2008
Einführungsgottesdienst Pfarrerin Bettina Ott
und Verabschiedung Pfarrer i. R. Hans-Dieter Pöbel
Pfarrerin Bettina Ott

  

Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.
Matthäus 13, Verse 44 - 46

 

Liebe Gemeinde,

"Gibt es das mehr Leben?" fragt ein 6jähriger Junge zu einem neuen Computerspiel. "Gibt das mehr Leben?" Etwas betretene Gesichter hinhörender großer Leute. Und der Junge bekommt auf seine philosophische Frage die vernünftige Antwort. "Das Spiel ist schneller als das alte, es hat dieses und jenes ... siehst Du ..." und zueinander gewendet werden sich die großen Leute über das pädagogisch wertvolle des Spiels versichern. Die Frage des Jungen nach dem Leben wird schamhaft übergangen. "Gibt das mehr Leben?" Auf diese Frage lässt man sich sicherheitshalber nicht ein, dazu gibt es Philosophen oder Theologen, die sollen sich damit plagen. Für die, die mitten im Leben stehen ist das einfach keine Frage. Der kleine Junge steht am Anfang seines Lebens und macht sich noch unsinnig philosophische Gedanken. Auf der Suche nach dem, was Leben ist, fragt er. Was soll in seinem beginnenden Leben, Leben sein. Was ist Leben? Wo soll er es suchen? Kann man es "mehr" machen? Was dient dazu zu Leben.

Ein Computerspiel: Der Computerfachmann, der Werbefachmann und der Wirtschaftswissenschaftler, jeder in seinem Bereich wären natürlich sofort bereit dem Jungen zu beweisen, was unbedingt zum Leben dazugehört. Das Computerspiel dient der Entwicklung der Intelligenz ... blablabla, so redet der Computerverkäufer; also dieses Computerspiel gehört dazu, wenn du dazugehören willst, das hat jeder und seine Optik ist so stylisch, es gehört in jedes Kinderzimmer, so der Werbungsvertreter. Na, als Vorbereitung auf die Anforderungen des modernen Wirtschaftslebens ist es unumgänglich schon die Kinder an die neuen Arbeitsmittel zu gewöhnen, so der Wirtschaftler usw.

Kein Interesse an Mehr-Leben, der kleine Junge müsste enttäuscht weitersuchen. Und an dieser Stelle müssten wir ihm schon unsere Hochachtung aussprechen, denn er hat sich nicht mit Ablenkungsmanövern abgefunden, sondern geht seiner Frage nach dem Leben weiter nach. Dann würde er einem älteren Mann begegnen, der ein wenig traurig in seinem Zimmer sitzt. "Du musst doch wissen, was mehr Leben bringt. Du lebst schon lange Zeit. Kannst Du mir vielleicht helfen?" "Ach, mein Junge, ich bin ganz allein und ich weiß nicht, wozu ich hier herumsitze. Ich bin krank und niemand besucht mich. Mein Leben ist eigentlich schon zu Ende." "Aber du atmest, du lebst doch." "Wenn man das Leben nennen kann. Ich bin nicht mehr jung und gesund!" "Also Leben hat mit jung und gesund zu tun?" "Aber ja."

Der Junge geht weiter und erwischt einen jungen Herrn mit Aktenköfferchen, der gerade in sein Auto steigen will am Sakkozipfel. "Was willst du? Lass los!" "Sie sind jung und gesund, sie haben mehr Leben?" "Ich, Leben, dass ich nicht lache, ich arbeite wie verrückt, ich habe keine Zeit, keine Sekunde." Die Autotür knallt zu. Wieder nichts.

Hoppla, da wäre der Junge fast mit einer jungen Frau zusammengestoßen, die ein wenig müde aber freundlich den Jungen anlächelt. "Hallo" "Hallo, haben sie vielleicht eine Ahnung vom Leben?" "Vom Leben?" sie überlegt einen Moment, "weißt du, mein Leben ist meine Kunst. Dafür lebe ich, sie ist das Wichtigste in meinem Leben und darum sind viele lebenswichtige Dingen für mich nicht so bedeutsam. Aber, was dein Leben ausmacht, musst du selbst finden. Viel Glück."

Also weiter, auf der Suche nach dem Leben. Vor einer Kirche sieht der Junge einen Mann die Treppen kehren. "Guten Tag." "Guten Tag." Der Junge schaut zu. Als der Mann fertig ist, setzt sich der Junge auf eine Stufe. Der Mann stellt den Besen an die Seite und setzt sich daneben. "Na, gibt es Probleme?" "Das mit dem Leben ist ziemlich schwierig. Die großen Leute wissen auch nichts." "Hast du den Pfarrer gefragt?" "Nein, nein, zu dem müssen die großen Leute gehen." "Weißt du, wer hier wohnt?" "In der Kirche?" "Ja" "Gott?" "Stimmt, es gibt große Leute, die haben die Kirche für Gott gebaut. Es war ihnen wichtig Gott einen Ort in der Stadt und in ihrem Leben zu geben." "Gott und Leben." "Ja" "Verschiedene Menschen haben herausgefunden, dass Gott mit dem Leben zu tun hat. Sie glauben, dass Gott ihr Leben begleitet und ermöglicht. Sie tun tausend unterschiedliche Dinge, aber sie glauben alle, dass Gott sie leben lässt und ihnen hilft ihr eigenes Leben zu finden." "Woher wissen die das?" "Es hat ihnen einmal einer erklärt, so wie ich dir, und es ist ihnen in ihrem Leben begegnet, so dass sie es glauben konnten." "Woher wusste das der, der es dir gesagt hat?" "Er hat es geglaubt und auch ihm hat es jemand erklärt. Vor langer, langer Zeit hat Gott selbst es den Menschen damals gezeigt und erklärt und seitdem geben wir diese Nachricht Gottes weiter. Aber man muss es auch selbst finden in seinem Leben." "Hast du es gefunden?" "Ja, du Naseweiß, das ist wie wenn man einen Schatz oder eine kostbare Perle findet und man will sie immer weiter festhalten und man weiß, was Leben ist." "Also Leben ist eine Perle suchen?" "So könnte man sagen. Leben bedeutet auf der Suche nach dem Allerwichtigsten, Allerschönsten zu sein. Für manche Menschen ist die Perle das Geld, für manche die Wissenschaft und Macht, für andere Gesundheit und Jugend und ... und, und ..." "Ja, das habe ich gesehen." "Aber für mich ist die Perle meines Lebens, Gott. Denn Gott ist das Allerschönste und Allerwichtigste und das Leben selbst." "Hast du Gott schon gesehen?" "Weißt du, Gott zu sehen ist sehr, sehr schwierig. Man muss sich auf die Suche nach ihm machen und seinem Herz das Sehen beibringen. Gott kann man nur mit dem Herzen sehen." Der Mann lächelt dem Jungen zu. "Das ist schwer. Wie kann mein Herz sehen?" fragt der Junge. "Es gibt nicht auf alles Antworten, aber wenn ich dir einen Rat geben darf, such weiter, gib dich nicht mit vorläufigen Antworten zufrieden und wenn dir deine Perle einmal vor den Füssen liegt, dann halte sie fest. Gott liegt jedem einmal vor den Füßen und dann heißt es sich entscheiden. Lass dich nicht entmutigen!" Und er zwinkert ihm sogar zu, dann steht er auf und nimmt seinen Besen. Ein kleiner Junge sitzt auf den Treppenstufen vor der Kirchentür, eine Glocke schlägt. Er steht auf und geht, eine Perle zu suchen.

Ich glaube es ist unsere Aufgabe diese Perle zu bewahren, zu behüten und weiterzugeben. Gottes Liebe in Jesus Christus soll weitergegeben werden in ihrer unveränderten Schönheit und Wahrheit. Der kleine Junge und das kleine Mädchen unserer Tage sollen die Perle noch finden können. Und auch der erwachsene Mann und die gestresste Frau sollen, wenn sie sich auf die Suche machen, die Perle wieder finden können. Wir behüten sie ein wenig vor der schnelllebigen Zeit, die viele Schätze einfach verloren gibt. Wir behüten sie ein wenig vor den selbsternannten Propheten unserer Tage.

Gottes Liebe möge die Wege weisen. Amen.