23. Juli 2007 / Familiengottesdienst Kindergarten Uhlandstraße
Anspiel der Kinder und Erzieherinnen
Pfarrerin Katharina Vetter

  

Anspiel "Der ängstliche kleine Spatz"

Es war einmal ein kleiner Spatz, der sich immer und über alles Sorgen machte. Er machte sich schon Sorgen, als er noch ein kleines Spatzenbaby war. "Tschiep, tschiep, freu' dich doch!" riefen seine Geschwister ihm zu. Aber er antwortete nur: "Piep, piep - oh ich armer kleiner Spatz ...!" Der kleine ängstliche Spatz wuchs und wurde größer. Aber je größer er wurde, desto mehr Sorgen machte er sich: "Ich bin so hungrig. Werde ich auch genug zu essen bekommen?" Da war ein Schwirren zu hören. Die Vogelmutter kehrte ins Nest zurück. Sie hatte fünf dicke, saftige Würmer gefangen, die sie den Spatzenkindern in die Schnäbel stopfte. So wurden die Spatzenkinder rund und groß. Ihr Federn begannen zu wachsen. Sie konnten im Nest stehen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Sie streckten ihre Flügel aus und schlugen damit auf und nieder. Der Spatzenvater sagte: "Ich denke es ist Zeit, dass ihr fliegen lernt." "Hurra, hurra!" schrieen die Geschwister. Aber der ängstliche kleine Spatz jammerte nur: "Oh weh, oh weh!" Alle Spatzen hüpften aus dem Nest auf einen dicken Ast und schlugen mutig mit den Flügeln. Ganz in der Nähe war ein Zaun. Dahin flogen Mutter und Vater Spatz. "Kommt rüber!" reifen sie ihren Kindern zu. Ein kleiner Spatz nach dem anderen hob die Flügel ... und flog zum Zaun. Nur der ängstliche kleine Spatz piepste mutlos: "Ich lerne das nie." Unentschlossen hopste er von einem Fuß auf den anderen. Dabei verlor er das Gleichgewicht und kippte von Ast. Und dann? Dann breitete er seine Flügel aus - und flog. "Siehst du, du kannst es auch." sagte die Vogelmutter als er neben ihr landete.

Der Sommer kam. Die Spatzenkinder lernten, selbst Futter zu suchen und die Umgebung zu erkunden. Alle machten mit. Nur der ängstliche kleine Spatz blieb im Nest: "Die Welt ist so groß und weit. Wenn ich wegfliege, finde ich vielleicht nicht mehr nach Hause. Piep, piep, oh weh!" Eines Abends versammelte der Spatzenvater seine Kinder im Nest. er erzählte ihnen vom Vater im Himmel, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist. Und von den großen und kleinen Dingen des Lebens erzählte er. Die jungen Vögel hörten mit glänzenden Augen zu. Nur einer nicht: Der ängstliche kleine Spatz! Er fürchtete sich viel zu sehr. Ängstlich späte er in die Dunkelheit hinaus. Mit der Zeit aber, wurde auch unser kleiner Spatz etwas mutiger. Es war Herbst geworden. Der kleine Spatz wagte sich von zu Hause fort, flog hier hin und dort hin. Da huschte plötzlich ein riesiger Schatten über den Erdboden. Dem kleinen Spatz blieb fast das Herz stehen. Dicht über ihm schwebte ein Habicht. Das kleine Spatzenherz begann vor Angst schnell zu klopfen, dass sich der kleine Vogel nicht einmal mehr Sorgen machen konnte. Er duckt sich, machte sich so klein wie möglich - und wartete zitternd ab, was geschehen würde. Die großen Flügel des Habichts rauschten in der Luft. Dann stieß er herab. Als der kleine Spatz seine Augen wieder öffnete, sah er den Habicht davon fliegen - in den Klauen hielt er eine Feldmaus. "Oooooooh, oh weh!" hauchte der kleine Spatz und flog schnell nach Hause.

Nach dem Herbst kam der Winter. Es wurde kälter und immer kälter. Dann fiel der erste Schnee. "Wie soll ich mich nur warm halten? Wie soll ich genug zu essen finden!" sorgte sich der kleine Spatz. Oft musste er lange suchen, doch er fand immer wieder ein paar Körnchen auf der kalten Erde und Beeren in den Hecken. Und später streuten die Kinder Vogelfutter aus.

Endlich kam er Frühling, die Sonne schien kräftiger und er Schnee schmolz. Die Spatzen wurden ganz aufgeregt: "Bald ist Nistzeit!" sagten die zu einander. Fortan sah man überall Vogelpärchen. "Mich will bestimmt niemand zum Mann haben." dachte der ängstliche Spatz mutlos. Traurig flog er auf den Apfelbaum ganz hinten im Garten. Und da saß schon jemand - in scheues kleines Spatzenmädchen. "Piep." sagte es ganz leise. "Piep, piep." antwortete der kleine Spatz etwas lauter. Und neben all seinen Sorgen hatte plötzlich etwas Hoffnung Platz. "Willst du meine Frau werden?" fragte er schnell. "Oh ja!" antwortete das schüchterne Spatzenmädchen und lächelte ihn an. Zuerst sind Der Spatz und seine junge Frau sehr glücklich. Doch nach einer Weile fing der Spatz wieder an, sich Sorgen zu machen. "Wo können wir unser Nest bauen?" fragte er bekümmert. "Die guten Plätze sind schon alle besetzt." Die Spatzenfrau flog zurück zum Apfelbaum. "Hier hat noch niemand begonnen, ein Nest zu bauen. Und hier ist es ganz ruhig und sicher." "Du hast recht", antwortete der Spatz und sah schon etwas vergnügter aus. "Wir müssen gleich mit dem Bauen beginnen!" Einige Tage später saß die Spatzenfrau voller Stolz in ihrem Nest. Unter ihren warmen, weichen Federn lagen fünf Eier verborgen. Nun hätte der Spatz doch glücklich sein können. Stattdessen machte er sich schon wieder sorgen: "Piep, piep piep - oh weh! Hoffentlich passiert kein Unglück mit unseren Eiern! Eine Katze könnte kommen oder der Habicht oder der Baum könnte umfallen ... Und wo soll ich später genug Futter für die Spatzenbabys finden?" seufzte er laut. Da hörte er eine sanfte Stimme: "Ruuguuguu - ist etwas passiert?" Es war die Taube von nebenan. Sie lächelte dem Spatzen freundlich zu. "Ach", seufzte der Spatz bedrückt, "es gibt so viele Dinge, die mir Sorgen machen." Eine große Träne rollte langsam über seine Wange. "Ruuguuguu", gurrte die Taube erstaunt. "Weißt du denn nichts vom Vater im Himmel, der uns alle gemacht hat? Haben dir deine Eltern nichts von ihm erzählt?" "Doch, das haben sie", antwortete der kleine Spatz. "Aber ich hatte zu viele Sorgen, um ihnen richtig zuhören zu können. Ach bitte, erzähl du mir doch jetzt davon!" "Der Vater im Himmel hat uns alle gemacht." begann die Taube. "Er hat uns erschaffen und weiß alles von uns. Er kümmert sich um uns und gibt uns alles, was wir nötig haben. Er weiß, was wir zum Leben brauchen und wann unsere Zeit gekommen ist, diese Erde wieder zu verlassen." "Ooooh," flüsterte der Spatz und seine Augen wurden vor staunen ganz rund. "Das wusste ich ja gar nicht." "Hast du nicht immer genug zu Essen bekommen als du ein kleines Vogelbaby warst?" fragte die Taube. "Doch" nickte der Spatz. "Und als du Fliegen gelernt hast, hast du dir da weh getan?" "Nein, wenn ich's recht überlege, nicht." antwortete der Spatz. "Und die Geschichte mit dem Habicht?" erinnerte ihn die Taube. "Deine Zeit war noch nicht gekommen! Und heute: deine Frau, euer Nest, die wunderhübschen Eier, Essen und Trinken - all das kam zur rechten Zeit, stimmt's?!" "Ja, du hast recht." tschilpte der Spatz. Er sah jetzt schon viel glücklicher aus. Er hatte erfahren: Der himmlische Vater macht alle Dinge und gibt sie zur rechten Zeit. Nicht einmal eine kleine Feder könnte aus seinem Gefieder fallen, ohne dass der himmlische Vater davon weiß. Ganz zuversichtlich flog er nach Hause.

Am nächsten Morgen, als die Sonne aufging, war ein leises Geräusch zu hören: "Tick, tick, tick ..." tönte es aus den Vogeleiern. "Es sind unsere Babys!" rief die Spatzenfrau aufgeregt. "Heute werden sie ausschlüpfen." Und was tat der sorgenvolle Spatzenvater, der nun gar nicht mehr besorgt war? - Er lächelte und sah glücklich aus. "Ich kann es fast nicht mehr erwarten, bis sie ausschlüpfen", sagte er. "Wir werden sie füttern, wir werden sie versorgen. Wir werden ihnen das Fliegen beibringen. Wir haben viel zu tun. Ich werde ihnen von unserem Vater im Himmel erzählen. Die ganze Welt hat er gemacht und alles, was lebt. Sogar um jeden kleinen Spatz kümmert er sich. Meine Kinder sollen sich an keinem Tag sorgen machen müssen. Tschiep, tschiep, tschiep." Und er pfiff so laut, dass sein kleines Vogelherz vor Freude ganz groß und weit wurde.

"Ich kann es fast nicht mehr erwarten, bis unsere Kinder ausschlüpfen", sagt der kleine Spatz, der längst nicht mehr klein und ängstlich ist. Ein Spatzenpapa ist er geworden und sagt zu seiner Spatzenfrau: "Wir werden sie füttern, wir werden sie versorgen. Wir werden ihnen das Fliegen beibringen!"

 

Teilen Sie die Vorfreude des Spatzenpapas, liebe Eltern? Den Schulanfängern das Fliegen beibringen! Eine große und schöne Aufgabe: Sie ermutigen, sich aus dem Nest zu wagen. Sich daran freuen, dass sie flügge werden und neugierig, gespannt, voller Vorfreude in einen neuen Lebensraum hineingehen.

"Lebensraum Schule": Da denken wir zuerst an die GHWRS hier in Dietlingen ... (andere Schulen?) Die Schulanfänger haben schon mehrmals "geschnuppert". Diejenigen, die zu Frau Tichler und Frau Dennig kommen waren sogar schon mit beim Waldtag. Auch die anderen kennen schon einige Mitschüler. Lehrerinnen und Lehrer warten auf Ihre Kinder ... und auch die größeren Schülerinnen und Schüler ...

"Lebensraum Schule": So ganz "rosarot" scheint uns Großen diese Aussicht nicht. Auch da ähneln wir dem kleinen Spatzen aus der Geschichte. Manche Sorge mag sich in Ihren Herzen regen, liebe Mütter, Väter und Großeltern. Hier im Kindergarten waren Sie als Erziehungsberechtigte quasi "mitten drin", ganz nah dran am Wohl und Wehe Ihrer Kinder und über Vieles sehr gut informiert.

Ich hab' das als größten Einschnitt empfunden bei meinen Kindern, dass ich als Mutter so gut wie nichts mehr mitbekommen habe, von dem, was läuft im Schulalltag. Inzwischen habe ich mich mehr eingebracht - als Elternbeirätin, mit den Waldtagen, mit ehrenamtlichen Engagement bei Ausflügen und anderen Aktivitäten. Gute Möglichkeiten - und doch kann das nicht jeder machen.

Aber wir können es machen, wie in der Geschichte, ganz klein und unspektakulär: Unsere Kinder füttern, wie die Vogelmama: ihnen das Vesper richten und immer 'mal eine kleine Überraschung dazu legen - einfach zur Freude. Sie locken, Neues auszuprobieren, auch wenn es schwer erscheint. Sie loben, wenn ihnen etwas gelungen ist. Sie erleben lassen, dass sie bei uns zu Hause willkommen sind. Und wir können es machen wie der Spatzenpapa: Unseren Kindern erzählen vom Vater im Himmel, der die Welt und alles, was darin ist gemacht hat. Er sorgt für uns. Er gibt uns alles, was wir nötig haben. Er weiß alles von uns: unsere Freude, unsere Sorgen, unsere Stärken und unsere Grenzen. Wir sind ihm recht, gerade so wie wir sind!

Wir Großen wissen, dass wir unsere Kinder nicht vor allem Übel beschützen können. Wir müssen sie wieder ein bisschen mehr frei lassen. Deshalb stellen wir sie jetzt unter Gottes Schutz und Segen.