26. November 2006 / Motetten zum Kirchenjahr
Pfarrerin Katharina Vetter

  

Eröffnung

 

Otmar Faulstich / Kommt, lasst uns jubeln dem Herrn

Kommt, lasst uns jubeln dem Herrn und jauchzen dem Fels unsres Heils.
Laßt uns mit Lob seinem Angesicht nahen, ihm jauchzen mit Liedern.
Denn der Herr ist ein großer Gott, ein großer König über alle Götter.
In seiner Hand sind die Tiefen der Erde, sein die Gipfel der Berge.
Kommt, lasst uns niederfallen und uns beugen, niederknien vor dem Herrn, unserm Schöpfer.
Denn er ist unser Gott, wir sind das Volk seiner Weide, die Herde, von seiner Hand geführt.

 

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten wohl nicht vollbringen
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht:
bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang.
Rainer Maria Rilke

 

Im Rhythmus des Kirchenjahres zu leben, bedeutet für mich, meinem Leben eine Struktur zu geben.

Dabei begegne ich meiner Sehnsucht.
Ich treffe auf Menschen, die ihre Sehnsucht mit mir teilen.
Vom 1. Advent bis Ewigkeitssonntag durchschreiten wir gemeinsam einen Jahresring.
Wir suchen die Erfüllung unserer Sehnsucht in drei großen Geheimnissen: Weihnachten, Ostern und Pfingsten.
Wir umkreisen sie gleichsam mit drei in einander verschlungen Festkreisen.
Der 1. Kreis ist der Weihnachtsfestkreis: Advent - Weihnachten - Epiphanias

Advent - dunkle Zeit, schicksalsschwanger.
Ein Sinnbild für alle ungeklärten, dunklen,
verworrenen Zeiten meines Lebens.
Ich sehne mich nach einer Hand, die mir entgegenkommt,
die mich hält und heilt.

Advent - Ich höre: Siehe!
Siehe dein König kommt zu dir.
Es nahet der Heiland, den Gott dir verheißen.
Ich frage: Wie?
Wie soll ich ihn empfangen, den großen Gott in meinem kleinen Leben ...?

 

Gottfried August Homilius / Saget der Tochter Zion

Saget der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir.
Wie soll ich dich empfangen und wie begeg´n ich dir, o aller Welt Verlangen, o meiner Seele Zier?
O Jesu, Jesu, setze mir selbst die Fackel bei, damit, was dich ergötze, mir kund und wissend sei.

 

Eduard Grell / Lasset uns frohlocken

Lasset uns frohlocken, es nahet der Heiland, den Gott uns verheißen.
Der Name des Herrn sei gelobet in Ewigkeit. Alleluja.
 

 

Weihnachten - Uraltes Geheimnis:
Die Sehnsucht gewinnt Gestalt.
Die Hand, nach der ich mich sehnte, ist da: winzig klein.
Enttäuschend? Überraschend?
Erstaunlich!
Die Hand eines Neugeborenen hält mich.
Sie bedroht mich nicht, verletzt mich nicht,
tut mir keine Gewalt an.
Sie darf noch wachsen - gemeinsam mit mir.

Weihnachten - Uraltes Geheimnis:
Jesus ist geboren. Gott wird Vater.
Vater auch für mich. ... dass wir Gotteskinder sollen heißen.

Weihnachten - Uraltes Geheimnis:
Ich bin neugeboren - ein Gotteskind.

 

Gottfried August Homilius / Sehet, welch eine Liebe

Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, dass wir Gottes Kinder sollen heißen!

 

Camille Saint-Saens / Lobsinget Gott, dem Herrn

Lobsinget Gott, dem Herrn, bringet ihm Ehre, rühmt und lobet allezeit seine Herrlichkeit!
Freut euch, ihr Himmel, du Erde, frohlocke, er ist dein Gott, voller Güte und Gnade. Halleluja.

 

Epiphanias - ein Stern geht auf:
Was dunkel war, wird hell und klar.
Ich sehe nun, wer mich hält.
Ich trete in Erscheinung in meiner neuen Gestalt als Gotteskind.
Wer nimmt das wahr? Wer sieht mich an?
In wessen Augen spiegelt sich mein strahlender Blick?
Christus im Himmel wohl bedachte, wie er uns reich und selig machte und wiederbrächt' ins Paradies ...

 

Michael Praetorius / Der Morgenstern ist aufgedrungen

Der Morgenstern ist aufgedrungen, er leucht´ daher zu dieser Stunde hoch über Berg und tiefe Tal, vor Freud singt uns der lieben Engel Schar.
Christus im Himmel wohl bedachte, wie er uns reich und selig machte und wieder brächt ins Paradies, darum er Gottes Himmel gar verließ.
O heilger Morgenstern, wir preisen dich heute hoch mit frohen Weisen; du leuchtest vielen nah und fern, so leucht auch uns, Herr Christ, du Morgenstern!

 

Der 2. Kreis ist der Osterfestkreis: Passionszeit - Ostern - Himmelfahrt

Passion - Hingabe:
Wenn mir der Boden unter den Füßen schwankt,
wenn sich ein Abgrund auftut vor anderen Menschen ...
Wie weit kann ich mit-gehen, mit-fühlen, mit-leiden?
Wie weit kann mich neigen ohne zu fallen?
Kann ich tragen für andere?
Soll ich mein Leben geben für sie?
Fürwahr, er trug unsre Krankheit
und lud auf sich unsere Schmerzen.
Wir aber hielten ihn für den, der geplagt
und von Gott geschlagen und gemartert wäre.

Passion - Hingeneigt und hingefallen - niedergeschlagen -
am Boden zerstört, frage ich: Wer?
Wer richtet mich auf?
Ich höre: Durch seine Wunden sind wir geheilt.

 

Rolf Schweizer / Fürwahr, er trug unsre Krankheit

Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen.
Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.
Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen.
Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilet.

 

Carl Loewe / Dank sei dir, Herr

Dank sei dir, Herr, durch alle Zeiten für deines Todes bittre Not,
denn durch dein Kreuz und durch dein Leiden hast du die Welt erlöst vom Tod.
Du hast das Kreuz auf dich genommen, die schwere Schuld der ganzen Welt;
wenn Not und Ängste auf uns kommen, sei es dein Kreuz, Herr, das uns hält!
Du wirst, o Herr ans Kreuz geschlagen, wirst hingeopfert wie ein Lamm;
du hast die Schuld der Welt getragen bis an des blutgen Kreuzes Stamm.
Du wirst der Erde übergeben, wie man den Weizen bettet ein:
doch wirst du auferstehn und leben und über alles herrlich sein.
Herr, präge uns dein Angesichte für immer tief ins Herz hinein:
und wenn es aufstrahlt im Gerichte, so laß es uns zum Heile sein.
Dank sei dir, Herr, durch alle Zeiten für deines Todes bittre Not;
denn durch dein Kreuz und durch dein Leiden hast du die Welt erlöst vom Tod.

 

Ostern - uraltes Geheimnis:
Ich weine über das, was vergänglich war und nun vergangen ist.
Ich knie am Abgrund - erstarrt, wie tot.
Werde ich fallen und selbst vergehen?
Was suchst du den Lebenden bei den Toten?
Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt wird leben, ob er gleich stürbe.
Erschüttert, erschrocken begreife ich:
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.
Gegensätze fallen zusammen, versöhnen sich.

Ostern ist "Trauer-Freude":
Unter Tränen, preise ich.
Zerbrochen, am Boden zerstört, richte ich mich auf,
nehme - nehme Abschied und Neubeginn.

Würde erhebt mich:
Ich werde nicht sterben, sondern leben
und des Herrn Werke verkündigen.
Ich stehe aufgerichtet, aus-gerichtet in mein neues Leben hinein.
Das ist vom Herrn geschehen und ist ein Wunder vor unseren Augen.

Ostern - uraltes Geheimnis: Ich bin auferstanden.

 

Gallus Dresser / Ich bin die Auferstehung

Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Wer an mich glaubet, der wird leben, ob er gleich stürbe;
und wer da lebet und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.

 

Walter Kraft / Man singt mit Freuden

Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten: Die Rechte des Herrn behält den Sieg!
Die Rechte des Herrn ist erhöhet! Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen.
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein worden.
Das ist vom Herrn geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen.
Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasst uns freuen und fröhlich darinnen sein
!

 

Himmelfahrt - Verwandlung:
Was erstarrt war, wird biegsam.
Anmutig in Trauer-Freude und Freuden-Tränen,
kann ich weit schwingen in meiner Hingabe.

Ich bin leibhaftig lebendig hier
und habe zugleich Fuß gefasst in einer neuen Wirklichkeit,
in der ich gehalten und getragen bin.

Nun ist erfüllt, was gschrieben ist in Psalmen -
von dem Herren Christ. Er sitzt zu Gottes rechter Hand,
herrscht über Himmel und alle Land. Halleluja.

 

Melchior Franck / Gen Himmel aufgefahren

Gen Himmel aufgefahren ist der Ehrenkönig Jesus Christ. Halleluja.
Er sitzt zu Gottes rechter Hand, herrscht über Himmel und alle Land. Halleluja.
Nun ist erfüll, was gschrieben ist, in Psalmen von dem Herren Christ. Halleluja.
Drum jauchzen wir mit großem Schalln, dem Herrn Christ zum Wohlgefalln. Halleluja.
Der Heiligen Dreieinigkeit sei Lob und Preis in Ewigkeit. Halleluja.

 

Der 3. Kreis verbindet Pfingsten, die Trinitatiszeit und das Ende des Kirchenjahres.

Pfingsten - uraltes Geheimnis:
Begeisterung findet Widerhall
Lebendig bin ich, obwohl doch der Tod zu meinem Leben gehört. Ich lebe noch, darf mein Leben gestalten, meinen Visionen folgen.
Himmlische Begeisterung ergießt sich in mein Menschenherz.

Pfingsten - uraltes Geheimnis:
Ich wachse über mich selbst hinaus,
sehe mich tanzen selbst über Abgründe hinweg.
Jede Zelle schwingt - erweckt, verzückt,
besessen vom lebendigen Gott.

Das Herz geht mir auf und der Mund spricht aus, was mich antreibt zu leben.

Pfingsten: der Funke springt über, findet Widerhall, ergreift Besitz von meinen Mitmenschen.

Kommt, Seelen, dieser Tag muss heilig sein besungen,
sprecht Gottes Taten aus mit neuerweckten Zungen,
heut hat der heilge Geist viel Helden ausgerüst´,
so betet, dass er auch die Herzen hier begrüßt.

Pfingsten - uraltes Geheimnis: Begeistert lebe ich.

 

Johann Sebastian Bach / Kommt, Seelen, dieser Tag

Kommt, Seelen, dieser Tag muß heilig sein besungen,
sprecht Gottes Taten aus mit neuerweckten Zungen,
heut hat der heilge Geist viel Helden ausgerüst´, so betet,
dass er auch die Herzen hier begrüßt.
Du Geist der Lieb und Kraft, laß deine heilgen Flammen
durch unsre Herzen gehen und füge sie zusammen;
und wenn der böse Feind sie listig trennen will, so wehre du
und mach sie friedsam, fromm und still!

 

Melchior Vulpius / Wer mich liebet

Wer mich liebet, der wird mein Wort halten und mein Vater wird ihn lieben.
Und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.

 

Trinitatis - Ich blicke auf die Gegenwart.
Abgründe übertanzen - Wer kann das schon?
Ich fühle mich müde und erschöpft -
und wäre gern wie neugeboren.
Ich bin niedergeschlagen, bedrückt, gebeugt -
und stünde gern aufrecht.
Ich spüre Anspannung, Unruhe -
und wäre so gern begeistert.
Worauf richte ich meine Aufmerksamkeit?
Begegne ich ausschließlich meiner Sehnsucht?
Oder nehme auch ab und zu ihre Erfüllung wahr?

Manchmal fühle ich mich erquickt und beschwingt,
bin froh, erleichtert oder beweget.
Immer wieder einmal entspanne ich mich, halte inne und gebe ab.

Trinitatis - Ich sehe neu, was gegenwärtig ist:
Ich spüre Sehnsucht und erlebe Erfüllung.

Immer mehr vertraue ich darauf,
dass Gott mir in beiden gegenwärtig ist.

Brunn alles Heils, dich ehren wir und öffnen unsern Mund vor dir; aus deiner Gottheit Heiligtum dein hoher Segen auf uns komm.

 

Johann Sebastian Bach / Brunn alles Heils, dich ehren wir

Brunn alles Heils, dich ehren wir und öffnen unsern Mund vor dir; aus deiner Gottheit Heiligtum dein hoher Segen auf uns komm.
Der Herr, der Schöpfer, bei uns bleib, er segne uns nach Seel und Leib, und uns behüte seine Macht vor allem Übel Tag und Nacht.
Der Herr, der Heiland, unser Licht, uns leuchten laß sein Angesicht, dass wir ihn schaun und glauben frei, dass er uns ewig gnädig sei.
Der Herr, der Tröster, ob uns schweb, sein Antlitz über uns erheb, dass uns sein Bild wird eingedrückt, und geb uns Frieden unverrückt.

 

Ende des Kirchenjahres - Sehnsucht nach vollständiger Verwandlung
So schließt sich der Kreis.
Der Mensch lebt und besteht nur eine kleine Zeit;
und alle Welt vergeht mit ihrer Herrlichkeit.
Doch die Sehnsucht knüpft an.

Adventlich habe ich mich gesehnt nach einer Hand,
die mich hält und heilt.
Nun sehne ich mich nach "unerhörten Dingen,
der großen Freud' im Himmelssaal".

Als neugeborenes, aufgerichtetes, begeistertes Gotteskind
hoffe ich darauf, dass ich, über den Tod hinaus
in Ewigkeit Gehaltene und Haltende bin.

 

Rolf Schweizer / Der Mensch lebt und bestehet ...

Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit; und alle Welt vergehet mit ihrer Herrlichkeit.
Es ist nur Einer ewig und an allen Enden, und wir in seinen Händen.
Und der ist allwissend. Und der ist heilig. Und der ist allmächtig. Und der ist barmherzig.
Halleluja, ewig seinem Namen, Halleluja! Amen!

 

Heinrich Scheidemann / Frisch auf und lasst uns singen

Frischauf und lasst uns singen, ihr Kinder Gottes allzumal von unerhörten Dingen, der großen Freud im Himmelssaal. Bald wird der Tag anbrechen, an welchem Gottes Sohn uns freundlich wird zusprechen:
Kommt her, empfangt den Lohn, den ich euch geb aus Gnaden, kommt her, ererbt das Reich, darin ihr ohne Schaden und Trübsal lebt zugleich.
O Freud, o Lust, o Leben! O güldnes Haus, o schönste Zier! Wir wollen kräftig streben in dieser Sterblichkeit nach dir.
O Gottes Antlitz sehen! O stets im Frieden sein! O bei den Engeln stehen! O teurer Himmelsschein! O Herrlichkeit ohn´ Ende!
Mein Gott, wenn dir´s gefällt, so nimm mich auf behende. Nun gute Nacht, o Welt!

 

Segen

 

Johann Sebastian Bach / Gloria sei dir gesungen

Gloria sei dir gesungen mit Menschen- und mit Engelzungen, mit Harfen und mit Zimbeln schön.
Von zwölf  Perlen sind die Tore an deiner Stadt; wir stehn im Chore der Engel hoch um deinen Thron.
Kein Aug´ hat je gespürt, kein Ohr hat mehr gehört solche Freude.
Des Jauchzen wir und singen dir das Halleluja für und für.

 

Es musizierten: Evangelische Singkreise Dietlingen und Weiler / Mitglieder des Evangelischen Singkreises Ellmendingen / Ulrich Hauser, Orgelcontinuo / Lothar Stängle, Leitung.