Karfreitag / 6. April 2007 / Passionsmusik zum Paul-Gerhard-Jahr
Pfarrerin Katharina Vetter

  

Dietrich Buxtehude / Passacaglia in d / Orgel

 

Begrüßung

 

Rolf Schweitzer / Fürwahr, er trug unsre Krankheit

Ulrich Grunmach / Die sieben Worte

Albert Becker / Ich steh an deinem Kreuz

 

Paul Gerhardt - vor 400 Jahren geboren - weit weg in einer kargen und harten Zeit ... tiefstem Schmerz ausgesetzt wie viele seiner Zeitgenossen ... ein Mensch, dessen Schicksal es ist, immer wieder verlassen zu werden: Mit 14 Jahren ist Paul Gerhardt Vollwaise. Er erlebt den furchtbaren 30jährigen Krieg. Sein Bruder stirbt an der Pest. Vier von seinen fünf Kindern sterben. In Berlin gerät er in Konflikt mit den angeblichen "Toleranzgedanken" des Kurfürsten und ist gezwungen seine Pfarrstelle dort aufzugeben. Kurz darauf stirbt seine Frau Anna Maria.

Paul Gerhardt - weit weg und doch ein Mensch, dessen Liedtexte mich immer wieder tief berühren. Ich spüre ihnen die Sehnsucht ab, mit der ein Verlassener sucht nach Verlässlichkeit. Seine Inbrunst, seine Hingabe kommen bei mir an. Ich fühle, da singt einer, der das wirklich auch so erlebt, wie er es ausdrückt. Ich gehe mit und erlebe staunend: Paul Gerhardt findet einen verlässlichen Grund für seine Lebensreise: Gottvater, dessen Güte er in seinen Geschöpfen erblickt und Jesus Christus, in dessen Leiden Paul Gerhardt auch sein Leid aufgehoben weiß, ja in den hinein er sich gleichsam verkriecht, versenkt.

Das bekannte Passionslied Gerhardts, das wir gleich miteinander hören und singen werden, bildet den Höhepunkt eines siebenteiligen Zyklus, in dem die Gläubigen die einzelnen Glieder des leidenden Christusleibes hingeben betrachten - von den Füßen an himmelwärts bis zum 'Haupt voll Blut und Wunden'.

 

Paul Gerhardt / O Haupt voll Blut und Wunden / Strophen 1 - 5

 

Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. So haben wir am Anfang gesungen.

Nun, was du, Herr, erduldet ist alles meine Last ... Dichtet Paul Gerhardt.

Das ist das Angebot von Karfreitag: Wir dürfen mit Christus tauschen - er leidet am Kreuz und wir sind die Zuschauer. Zuschauer, die Christus doch sieht, die er aufrichtet, indem sie Ansehen bei ihm genießen, denn gerade um ihretwillen erleidet er Schmerzen und Tod. Das hat mit Moral überhaupt nichts zu tun. Dieser Wechsel, dieser Karfreitagstausch, ist viel mehr ein großes, tiefes  Geheimnis, dem sich Paul Gerhardt in frommer Betrachtung ganz hingibt:

Ich will hier bei dir stehen, verachte mich doch nicht. Von dir will ich nicht gehen, wenn dir dein Herze bricht; wenn dein Haupt wird erblassen im letzten Todesstoß, alsdann will ich dich fassen in meinen Arm und Schoß.

Als ob das ginge, dass wir kleine Menschen dem großen Gott beistehen könnten, ja ihn sogar fassen könnten und in unsere menschliche Leiblichkeit hinein, in unser Leben hinein aufnehmen könnten. Das Bekenntnis und wohl auch die Erfahrung, von der Paul Gerhardt uns singt, ist: Das geht. In Christus schenkt sich der lebendige Gottes in unser Christen­leben hinein. Wie er einst seine Kraft in den Schoß der Maria gelegt hat, so vereinigt Gott sich in Christus auch mit uns und ist in unserem Leben durch uns lebendig.

Ich danke dir von Herzen, o Jesu, liebster Freund, für deines Todes Schmerzen, da du's so gut gemeint. Ach gib, dass ich mich halte zu dir und deiner Treu und, wenn ich nun erkalte, in dir mein Ende sei.

 

Paul Gerhardt / O Haupt voll Blut und Wunden / Strophen 6 - 10

 

Nachdem Paul Gerhardt den Punkt hinter die letzte Strophe gesetzt hatte, vergingen noch 20 Jahre bis er im Alter von 69 Jahren stirbt. Und doch können wir spüren, wie er sich die "Verlässlichkeit" ausmalt, nach der er sich - als immer wieder Verlassener - sehnt.

Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir. Wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür; wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein.

So lüftet sich das Geheimnis - so erlöst uns Christus: Nachdem er sich in unser Christenleben hineingegeben hat, gewinnt er in dem Maß Lebendigkeit wie unsere Lebenskräfte schwinden. Christus, der in unserem Leib verborgen war, tritt, wenn wir sterben, immer deutlicher hervor. Nicht nur als Vor-Bild, sondern als der Freund, der uns aus allen Ängsten reißt und über die Brücke führt in das neues Leben in seiner lebendigen Gegenwart.

Denn auf diese Weise hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.

 

Georg Philipp Telemann / Also hat Gott die Welt geliebet

Heinrich Schütz / Ehre sei dir Christe

 

Segen