Rogate / 13. Mai 2007 / Ökumenischer Festgottesdienst
100jähriges Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr Dietlingen
Pfarrerin Katharina Vetter

  

100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Dietlingen ...

1907 war an einen Gemeindeverbund "Keltern" noch längst nicht zu denken. Da wurde das Brückle vor Ellmendingen noch hart verteidigt von der Dorfjugend und das Leben war in Ordnung unter der Herrschaft eines Kaisers, der in Autos noch eine vorübergehende Erscheinung sah und meinte, die Zukunft gehöre den Pferden ... Ob sie wirklich noch so in Ordnung war, die Welt? So ganz fraglos einverstanden waren ja nicht alle mit der herrschenden Ordnung. Auch in Dietlingen nicht. Die einfachen Menschen, Arbeiter entdeckten ihren Wert und ihre Macht, wenn sie sich nicht weiter vereinzeln ließen, sondern sich zusammenfanden. Ganz unscheinbar geriet "die Ordnung" aus den Fugen, Neues bahnte sich an. Ob das Gefühl eines gesellschaftlichen Wandels schon spürbar war, als sich in Dietlingen Männer zur freiwilligen Feuerwehr zusammenfanden unter dem Wahlspruch "Gott zur Ehr, dem Nächsten zu Wehr"? Gott gab es jedenfalls noch ganz unhinterfragt für die meisten Menschen und damit eng verbunden auch einen "Nächsten", nämlich einen Menschen in Not, dem mich Gott hilfreich zur Seite stellte.

Vielen Männern gingen Gott und der Nächste verloren auf den Schlachtfeldern des 1. Weltkrieges, viele Familien auch in Dietlingen verloren die Väter, die Brüder und ihr Hab und Gut in der wirtschaftlichen Katastrophe der 20iger Jahre. Herbe Verluste auch für die Freiwilligen der Feuerwehr. Das "Intermezzo Weimarer Republik" war aus bekannten Gründen nicht tragfähig genug, um die aufgerissenen Gräben zu überbrücken und auch in Dietlingen kündigte sich handfest der gesellschaftliche Wandel an, der im unsäglichen Leid des 2. Weltkrieges mündete. Was bisher nicht verloren war an Gottvertrauen und Nächstenliebe, musste sich bewähren als Menschen als Flüchtlinge nach Dietlingen zurückkehrten oder hier eine neue Heimat finden wollten.

In den Jahren des Aufbaus und der Festigung unserer Demokratie wuchs auch die Freiwillige Feuerwehr heran zu einer Gemeinschaft, die aus einem gemeinsamen Interesse und dem gemeinsamen Einsatz erwächst und weiterhin geschichtsprägend für unser Dorf ist. Das merken wir heute und in den nächsten Wochen: die Feuerwehr ist in der Lage zu feiern. Sie richtet ein Fest für und mit der Bevölkerung aus. Dazu gehört auch der ökumenische Festgottesdienst - vielleicht nicht nur, um aus Traditionsgründen an den eingangs zitierten Wahlspruch anzuknüpfen, sondern auch als Signal an unsere Dorfgemeinschaft: zum Feiern gehört auch das Danken und die Bitte um Gottes Segen für die Zukunft.

Das Spritzenhäusle direkt neben dem Rathaus erfüllt längst nicht mehr die Anforderungen an eine Freiwillige Feuerwehr unserer Tage. Und doch hat es sinnfällig zum Ausdruck gebracht, dass die Feuerwehr als Pflichteinrichtung der Gemeinde Teil der gesellschaftlichen Ordnung, Teil der "Herrschaft, der Macht" ist.

Und so passt der Predigttext für den heutigen Sonntag ziemlich gut: Paulus schreibt an seinen Mitapostel Timotheus, der in der Abwesenheit des Apostels eine oder mehrere von Paulus gegründete Gemeinden betreute:

 

Vor allem fordere ich auf zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung, und zwar für alle Menschen, auch für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können. Das ist recht und gefällt Gott, unserem Retter; er will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn: "Es gibt einen Gott, und auch einen Mittler zwischen Gott und den Menschen: den Menschen Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle."
1. Timotheus 2, Verse 1 - 6a

 

Das war zur Zeit des Timotheus gar nicht so selbstverständlich, dass die Christen für die Herrscher, die Machthaber beten sollten, denn das Verhältnis war - gelinde gesagt - gespannt. Die Herrscher vermuteten in den Christen Aufwiegler, Umstürzler, Gesellschaftszersetzer und erklärte Feinde des Kaisers. Paulus sieht im Kaiser und seinen Beamten Menschen, für die es in erster Linie zu beten gilt: in Dankbarkeit anzuerkennen, dass sie  für die  Bürger des römischen Reiches einen vor Feinden geschützten Lebensraum  schaffen und erhalten und Gott zu bitten, dass sie gerettet werden, indem der Glaube an Jesus Christus auch in ihrem Leben Raum greift. Wenn wir uns also fragen, warum wir beten sollen, dann wohl, weil Bitte, Gebet, Fürbitte und Dank für alle Menschen unseren Blick verändern. Das Gebet lenkt den Blick ab von Spannungen und richtet ihn auf Gott den Retter, der alle Menschen retten will.

Interview mit Uwe Renninger, Kommandant der Abteilung Dietlingen in der FFW Keltern:

1. Der Bürgermeister ist, so wie ich verstanden habe, der oberste Feuerwehrmann ... wie ist das zu verstehen?
2. Und was ist, wenn es keine Freiwillige FW mehr geben würde?
3. Wie viele aktive Feuerwehrleute seid ihr in Dietlingen?
4. Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?
5. Wie bist du zur FFW gekommen? Welche Funktion und welche Aufgaben hast du da? Machst du das hauptberuflich?
6. Was magst du an der FFW Keltern und der Dietlinger Abteilung?
7. Gibt es auch etwas, das dir Mühe macht?
8. Kannst du dir vorstellen, dass ihr bei einem Einsatz am liebsten beten würdet? Und dass andere für euch beten sollen?

Herzlichen Dank, Uwe.

Wir leben heute in einer Demokratie und haben wohl allen Grund, dafür von Herzen dankbar zu sein. Manchmal frage ich mich allerdings schon, ob wir auch mit Blick auf unsere "Machthaber“ unterschreiben würden, dass sie Menschen sind, für die wir beten sollen.

Ich denke, für die Menschen der FFW sind wir von Herzen dankbar, und besonders auch für die Mütter und Väter, die Menschen erzogen haben, die sich gesellschaftlich engagieren und Gemeinwohl vor Eigennutz stellen. Wenn wir uns heute fragen, warum wir beten sollen, dann, vielleicht einfach, weil wir zusammengehören und einander brauchen - die FWL uns Beterinnen und Beter und wir sie. Nicht nur in Katastrophensituationen, sondern auch als Bespiele dafür, dass es uns selbst aufrichtet und Gemeinschaft stiftet, wenn wir uns hilfreich für andere einsetzen.

Ich finde es eine ungeheure Veränderung, wenn wir erkennen, was Gott die Gemeinschaft mit uns Menschen wert ist: Von einem unbestimmten, nebulösen Begriff, der sich je nach Lebenssituation aus meinem Leben verflüchtigen kann, wird er zum leibhaftigen Menschen Jesus Christus. Und der zeigt uns, dass wir einen Nächsten haben, jemanden, der uns braucht, der unverzichtbar auf unsere tatkräftige Hilfe angewiesen ist. Und manchmal kann die Hingabe sogar so weit gehen, dass fast nichts oder gar nichts von uns übrig bleibt. So wie bei Jesus, der sich hat ans Kreuz schlagen lassen, damit kein Mensch aus der Gemeinschaft mit Gott verloren geht.

Wenn wir uns hingeben, dann können wir auch erleben, dass sich unser ganzes Leben verwandelt und nicht nur das Schreckliche stehen bleibt, der Abgrund, der Tod. Wir finden Menschen, die sich mit uns verbinden, uns unter die Arme greifen, mit denen gemeinsam wir uns wieder aufrichten können.

Auferstehung kann heißen, dass ich aufrichtig und aufgerichtet durchs Leben gehen kann.

Amen