Pfingsten / 4. Juni 2006
Pfarrer Klaus
Zimmermann
Wir haben aber nicht den Geist dieser Welt
erhalten, sondern den Geist, der von Gott kommt. Darum wissen wir, was
Gott für uns getan hat. Davon reden wir nicht in Worten, wie sie
menschliche Weisheit lehrt, sondern in Worten, die der Geist eingibt.
Vom dem was Gott tut, reden wir so, wie sein Geist es uns lehrt. Ein
Mensch, der nur über seine natürlichen Fähigkeiten verfügt, lehnt ab,
was der Geist Gottes enthüllt. Es kommt ihm unsinnig vor. Er kann
nichts damit anfangen, weil man es nur mit Hilfe des Geistes
beurteilen kann. Wer dagegen den Geist hat, kann über alles urteilen,
und ihn selbst kann kein anderer beurteilen. Es heißt ja: "Wer kennt
den Geist des Herrn? Wer will sich herausnehmen, ihn zu belehren?" Und
wir haben diesen Geist!
1. Korinther 2, Verse 12 - 16
Wozu brauchen wir Pfingsten?
Damit wir wieder wissen, dass wir Pfingsten brauchen. Laut einer Umfrage wissen rund 50 % der Befragten nicht mehr, was Pfingsten bedeutet. Wozu sollten sie Pfingsten brauchen? Ganz einfach dazu, dass auch sie wieder erfahren, wie sehr sie Pfingsten brauchen.
Wozu brauchen wir Pfingsten?
1. Damit wir unterscheiden lernen den Geist der Welt und den Geist aus Gott.
Die Welt hat einen Geist. Manchmal ist er groß und manchmal erschreckend klein. Und dieser Geist lässt uns Menschen denken, sprechen, erfinden, konstruieren, erforschen, dichten, singen, komponieren, Bücherschreiben, Computer bedienen, auf dem Mond landen. Freilich: Menschengeist hat auch die Atombombe hervorgebracht, produziert Rüstungsgüter und verdient gut daran. Menschengeist hat die Gaskammern von Auschwitz entworfen und den unvorstellbaren Massenmord ideologisch begründet. Menschengeist in Gestalt von Weltpolitik lässt Soldaten im Irak einmarschieren, rühmt sie als Werkzeuge der demokratischen Freiheit und kann’s kaum glauben, dass eben diese Werkzeuge auch Massaker verüben können. Wir haben einen Geist. Wir sind Geist. Das ist unsere Größe und Würde und zugleich unser Elend. Aber eben dieser Welt und Menschengeist ist zu unterscheiden vom Geist Gottes. Das lehrt Pfingsten. Das schärft uns Paulus ein. Den Geist der Welt haben wir in wechselnden Zeit-Geist-Varianten. Den Geist Gottes können wir nur empfangen.
Wozu brauchen wir Pfingsten?
2. Dass wir Gott erkennen.
Vielleicht regt sich Widerspruch. Sind die Menschen, wenn sie nicht
gerade von allen guten Geistern verlassen sind, nicht fähig, Gott zu
erkennen? Sind denn die Religionen, in denen Menschengeist nach Gott
fragt und forscht und sucht, nur Makulatur? Paulus provoziert, wenn er
schreibt: "Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes; es
ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen." Der natürliche
Mensch, der Mensch von Natur aus, der einen manchmal großen, manchmal
kleinen und kleinkarierten Geist hat, der kann aus sich heraus Gott
nicht wirklich erkennen? Dieser Gedanke wird uns ärgern. Immer ärgert
uns das, wenn wir an Grenzen stoßen, die wir nicht überwinden können.
Paulus markiert eine Grenze: An dem wirklichen und lebendigen Gott,
nicht an einem gedachten Gott stoßen wir an eine Grenze. Großes und
Erhabenes mag Menschengeist sich über Gott ausdenken und eben darin
den wirklichen Gott doch verfehlen.
Pfingsten lehrt uns: Wir
brauchen Gottes Geist, um Gott zu erkennen. Gottes Geist ist die
Weise, wie sich Gott uns bekannt gemacht, offenbart. Er bedient sich
dazu des Wortes der Bibel und der Sakramente. Die Reformatoren, allen
voran Luther, haben das sehr betont. In der Regel lässt sich Gott
durch das Wort der Bibel und durch die Sakramente hindurch erkennen.
Wenn sich Menschen dem Wort der Bibel entziehen und den Sakramenten,
dann schwindet die Erkenntnis des wirklichen und lebendigen Gottes.
Dann bleibt am Ende nur der gedachte oder geleugnete Gott. Wo Gottes
Geist sein Wesen treibt, da wächst Erkenntnis Gottes.
Wozu brauchen wir Pfingsten?
3. Dass wir wissen und begreifen, was Gott uns schenkt. Geschenke
verstehen sich von selbst!, sollte man meinen. Mitnichten! Erlaubt
einen gewagten Vergleich: Angenommen wir schenkten einem
Steinzeit-Menschen eine CD. Er könnte wohl wenig damit anfangen.
Vielleicht würde er das glitzernde Ding bewundern und wie etwas
Heiliges hüten, aber verstehen, gebrauchen, sich dran freuen an dem,
was drin steckt, könnte er nicht. Sein Geist lebt in einer anderen
Wirklichkeit. Das Geschenk bliebe ihm verschlossen.
Wir brauchen
Gottes Geist, weil er uns aufschließt, was uns von Gott geschenkt
wird. Jesus am Kreuz - warum hängt der denn da? fragen sie im Osten
der Republik, aber man kann diese Frage auch bei jungen Leuten im
Westen hören. Jesus, der Gekreuzigte - ein Looser, ein Verlierer? Ach,
er hat den Himmel für uns gewonnen. Er hat uns mit Gott wieder in
Ordnung gebracht. Wie werden wir staunen, wenn uns Gottes Geist das im
Herzen aufschließt.
Als der junge Graf Zinzendorf mit 21 Jahren
auf einer europäischen Bildungsreise war und unterwegs sich ein
Kreuzigungsbild anschaute - vielleicht auch aus kunsthistorischem
Interesse - da traf ihn ein Geistesblitz vom Himmel, als er die Sätze
las: "Das tat ich für dich. Was tust du für mich?" Was ist aus diesem
Geistesblitz geworden? Herrnhut, die Brüdergemeine und dann auch
Königsfeld, wo wir kalte aber schöne Tage erlebten. Wenn Gottes Geist
uns aufschließt, was er uns in Jesus Christus schenkt, bleiben wir
nicht die Alten und durch uns wird Neues in die Welt kommen. Ein neuer
Geist, ein Geist der Liebe, die nicht aufgibt. Ein bisschen Brot, ein
wenig Wein - wie sollen wir davon satt werden? grübelt oder spottet
Menschengeist. Aber wenn Gottes Geist uns auf den Geschmack kommen
lässt, dann gehen uns die Augen auf wie den Emmausjüngern damals und
wir schmecken im Brot und im Wein die verzeihende Liebe Jesu. Ohne
Gottes Geist ist Predigt vielleicht richtige Theologie, aber teilt
kein Brot aus, das die Seele satt macht. Ohne den Geist Gottes ist
Sinkreisprobe gesellige Stimmbildung, aber nicht wirklich
Verherrlichung Gottes und klingendes Evangelium. Ohne den Geist
Gottes, ist Beten Selbstgespräch und nicht Heimkehr zum Vater im
Himmel. Wo Gottes Geist ist, da ist Freude an dem, was Gott schenkt.
Da wird seine Gnade gefeiert und seine heilende Liebe erfahren.
Wozu brauchen wir Pfingsten?
4. Dass wir unseres Glaubens froh und gewiss werden! Paulus sagt es
so: "Der geistliche Mensch beurteilt alles und wird doch selber von
niemandem beurteilt. Wir aber haben Christi Sinn!“ Wir haben! Punkt.
Paulus redet in beeindruckender Glaubensgewissheit. Vielleicht
erschreckt sie uns auch ein wenig. Unangenehm erleben wir doch
christliche Zeitgenossen, die die Wahrheit haben und ganz genau
wissen, wo die anderen falsch liegen und was ihnen fehlt. Da ist dann
kein Fragen mehr möglich, kein Austausch, kein gemeinsames Suchen.
Dann ist alles schon klar. Es gibt eine Glaubensgewissheit, die Gott
im Be-Griff haben möchte und nicht mehr weiß, dass Gott größer ist,
als die Worte und Begriffe, in denen wir von ihm reden.
Und doch:
Ist nicht in mir auch diese Sehnsucht nach mehr Glaubensgewissheit?
Das möchte ich auch können: ehrlich und fröhlich von meinem Glauben
reden und nicht rot werden, wenn Freunde oder Arbeitskollegen mich auf
mein Christ-sein ansprechen. Wie komme ich zu dieser fröhlichen
Glaubensgewissheit? Ich kann sie mir nicht einreden. Andere können sie
mir nicht einreden. Ich kann nur staunen, wenn Gottes Geist sich mir
vergewissert, so dass ich alles beurteilen kann: also Gottes rettendes
und helfendes handeln in Jesus begreifen und annehmen.
In dieser
Gewissheit, die Gottes Geist wirkt, liegt eine gehörige Portion
Unabhängigkeit vom Reden und Urteilen der Leute. Wie schnell kann uns
doch ein kritisches und spöttelndes Wort der anderen unsicher machen!
Nicht dass wir uns berechtigter Kritik entziehen sollen, aber wir
lassen uns nicht einfach die Maßstäbe vorschreiben, die der Sache des
Glaubens unangemessen sind. Da schrieb ein Spötter auf ein großes
Plakat: "Gott ist tot. Nietzsche." Und ein geisterfüllter Christ ließ
sich nicht einschüchtern und schrieb darunter: "Nietzsche ist tot.
Gott" Wo Gottes Geist sein Wesen treibt, da wächst die Gewissheit im
Glauben und da wartet auf uns auch diese Erfahrung: Mir entfällt der
Mut, aber er hilft meiner Schwachheit auf. Mein Gebet erlahmt in
Zweifeln und Ängsten, aber der Geist betet in mir.
Wozu wir Pfingsten brauchen?
Damit wir wieder wissen, wie sehr wir Gottes Geist brauchen. Er hilft uns unterscheiden den Geist der Welt und den Geist aus Gott. Er macht uns Gott bekannt. Er weckt Freude an dem, was Gott schenkt und er macht uns des Glaubens gewiss. So wollen wir bitten: Komm heiliger Geist und erfüll die Herzen deiner Gläubigen und entzünd in ihnen das Feuer deiner Liebe.