Estomihi / 26. Februar 2006
Pfarrer Klaus Zimmermann

  

Wenn der Glaube lacht

Liebe Gemeinde,

"Alles hat seine Zeit: weinen hat seine Zeit und lachen hat seine Zeit!" So steht es in der Bibel im Buch des Predigers Kapitel 3. Ist jetzt Zeit zum Lachen? Bei "Mainz bleibt Mainz" wird gelacht und auf der Prunksitzung der Weilermer Honigschlecker wurde gelacht. Darf hier im Gottesdienst gelacht werden?

Ein Bauer hat sich ein Bein gebrochen und muss still liegen. Der Pastor hat ihm zur Unterhaltung einen Band Wilhelm Busch zum Lesen gegeben. Als er gesund geworden ist, bringt ihm der Bauer das Buch zurück. "Nun, hat’s euch gefallen?" fragt der Pastor. "O gewiss, Herr Pastor", sagt der Bauer und blickt ein wenig verlegen zur Seite," aber - wenn ich nicht wüsste, dass sie der Herr Pastor sind und dass dies Buch darum Gottes Wort sein muss, ich hätte wohl herzhaft lachen müssen."

Heute ist Zeit zum Lachen und zum Schmunzeln. Denn wir begreifen den Humor, der trotzdem lacht, als einen wohltuenden Ausdruck des Glaubens, der sich im Letzten von Gott gehalten und geliebt und durchschaut weiß und darum über das Vorletzte herzhaft lachen kann.

Unser Lachen darf ein Echo sein auf Gottes Lachen. Gott lacht. Ich rede menschlich von Gott. Die Bibel tut es auch.

In Psalm 2 lesen wir: "Die Könige der Erde lehnen sich auf und die Herren halten Rat miteinander wider den HERRN und seinen Gesalbten. Aber der im Himmel wohnt, lachet ihrer und der Herr spottet ihrer."

Im Himmel wird gelacht über die Menschen, die sich aufspielen zu Herren und Göttern und vergessen, dass sie nur Staub sind. Immer machen wir uns lächerlich, wenn wir mehr sein wollen als wir sind und den Unterschied zwischen Gott und Mensch verwischen. Im Lachen liegt dann etwas Subversives, etwas, das die Macht der Gernegroße untergräbt. Diktatoren fürchten dieses entlarvende Lachen wie die Pest.

Während der Nazizeit sieht ein altes Mütterchen in einer Buchhandlung zum erstenmal in ihrem Leben einen Globus. Sie lässt ihn sich erklären und dann will sie wissen, wo denn nun das Deutsche Reich liegt. Verwundert starrt sie auf den unerwartet kleinen Fleck. Dann fragt sie sorgenvoll: "Weiß der Führer das?"

Wer über die Herren lacht, nimmt ihnen ihre Macht, wenigstens für eine Zeitlang.

Es ist wohl kein Zufall, dass die biblische Urgeschichte des Humors in der Urgeschichte auf den ersten Seiten der Bibel steht.

Die Menschen fühlen sich bei einem Grad technischen Fortschritts angelangt, der ihnen das Gefühl gibt, alles machen zu können und zu dürfen. Der Platz der Götter gehört jetzt ihnen, sie sind willens, ihn einzunehmen, und wähnen sich in ihrem Himmelssturm dem Ziel schon ganz nah. Augenfälliges Symbol ihres Höhenfluges ist der riesige, der gigantische, der nie da gewesene und nicht zu überbietende Turm zu Babel. Und dann- als würde jemand mit der Nadel in einen Luftballon stechen - die Notiz: "Da fuhr der Herr hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, den die Menschenkinder bauten." (1. Mose 11, Vers 5) So winzig klein ist der monströse Turm, dass Gott herunter kommen muss, um ihn überhaupt zu sehen! Mit wie viel Humor erzählt uns die Bibel diese Geschichte vom Größenwahn der Menschen und lässt uns teilhaben am Lachen Gottes. Und wenn wir mitlachen und den eigenen Größenwahn durchschauen, dann widerfährt uns in solchem Lachen etwas Erlösendes und wir begreifen, dass Gott nicht will, dass wir in unserem Größenwahn zum Teufel gehen.

Gott lacht wohl auch über die Engherzigkeit seiner Frommen, die nicht verstehen können, dass er seine Sonne aufgehen lässt über Gute und Böse und sich daran stoßen, dass er in seiner leidenschaftlichen Menschensuche auch den Verlorenen nachgeht.

Das Büchlein Jona im Alten Testament ist ein wunderbares Dokument göttlichen Humors und wir können den Weg des Propheten Jona nicht begleiten, ohne innerlich zu schmunzeln: er flieht vor Gottes Auftrag, Gott aber findet ihn und bedient sich dazu eines großen Fisches. Jona sagt der Stadt Ninive das Gericht an und es kommt zu einer Bewegung der Umkehr, über die sich Jona gar nicht freuen kann. Er jammert über die Staude, die ihm Schatten wirft und so plötzlich vertrocknet und kann nicht begreifen, dass die Menschen in Ninive, die nicht wissen, was gut und böse ist, Gott ganz arg am Herzen liegen.

Eine vornehme Dame fragte den großen Theologen Karl Barth nach einem Vortrag einmal: "Herr Professor, werden wir all unsere Lieben einmal wieder sehen?" Karl Barth gab zur Antwort: "Ja, und die anderen auch!"

Und die anderen auch! "Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen!" Wie befreiend mag es sein, wenn uns die biblische Weite der Liebe Gottes aufgeht und wir von Herzen lachen müssen über die kleinliche Enge unserer ausgrenzenden Hoffnung.

Gott lacht wohl auch über die Weisheit der Weltklugen, die meinen nur das sei wahr, was sie im Begriff haben. Paulus schreibt einmal mit spitzer Feder den Christen in Korinth: "Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? Denn weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran glauben. Denn die Juden fordern Zeichen, und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit." (1. Korinther 1, Verse 20 - 24)

Paulus schreibt nicht nur mit spitzer Feder. Zwischen den Zeilen spricht sich auch ein provozierender Humor aus. Auch unser Wissen ist Stückwerk und angewiesen auf eine kommende Vollendung.

Albert Einstein, der berühmte Physiker, nahm einmal bei einem Kongress den katholischen Kardinal Faulhaber zur Seite und an die Brust: "Herr Kardinal, was werden sie sagen, wenn ich Ihnen mathematisch nachweise, dass es Gott nicht gibt." "Nun", antwortet der Kardinal schlagfertig," dann müsste ich wohl warten, bis sie ihren Rechenfehler gefunden haben."

Gott lacht wohl auch über seine Kinder, die das Wort der Bibel bisweilen allzu wörtlich nehmen und dabei den Buchstaben mit dem Geist der Worte verwechseln. Von Johann Peter Hebel stammt die folgende Erzählung:

In Hertingen, als das Dorf noch rottbergisch war, trifft ein Bauer den Herrn Schulmeister im Felde an. "Ist’s noch Euer Ernst, Herr Schulmeister, was Ihr gestern den Kindern zergliedert habt: So dich jemand schlägt auf deinen rechten Backen, dem biete den andern auch dar?" der Schulmeister sagt: "Ich kann nichts davon und nichts dazu tun. Es steht im Evangelium." Also gab ihm der Bauer eine Ohrfeige und die andere auch, denn er hatte schon lang einen Verdruss auf ihn. Indem reitet in einer Entfernung der Edelmann vorbei und sein Jäger. "Schau doch nach, Joseph, was die zwei dort miteinander haben." Als der Joseph kommt, gibt der Schulmeister, der ein starker Mann war, dem Bauer auch zwei Ohrfeigen und sagte: "Es steht auch geschrieben: Mit welcherlei Maß ihr messet, wird euch wieder gemessen werden. Ein voll gerüttelt und überfließend Man wird man in euren Schoß geben", und zu dem letzten Sprüchlein gab er ihm noch ein halbes Dutzend drein. Da kam Joseph zu seinem Herrn zurück und sagte: "Es hat nichts zu bedeuten, gnädiger Herr; sie legen einander nur die Heilige Schrift aus."

Es muss um das rechte Verständnis der heiligen Schrift gestritten werden, ohne Zweifel; aber es soll nicht ohne Humor geschehen, ohne jenen Humor, der auch darüber lachen kann, wie begrenzt unser Verstehen ist und wie schnell wir das Wort der Bibel missbrauchen, um eigene Positionen und Verhaltensweisen zu begründen.

Mag sein, dass im Himmel auch gelacht wird über die Menschen, die sich taub stellen, wenn Gott mit ihnen reden will.

Die Geschichte von Bileams Eselin, die uns im vierten Buch Mose erzählt wird, ist doch voller Humor. Balak, der moabitische König, hat Bileam rufen lassen, dass er das Volk Israel, das durch sein Land ziehen will, verfluche. Und auf der Anreise schickt Gott dem Bileam einen Engel in die Quere, der ihm sagen soll, er möge nur das tun, was Gott ihm befiehlt. Aber Bileam, der Seher, ist blind und der dumme Esel wittert zuerst die Gegenwart des himmlischen Boten und muss sogar das Wort ergreifen, um dem Bileam auf die Sprünge zu helfen.

Ach ja, manchmal stehen wir auf der Leitung und merken nicht, dass vielleicht gerade in dem, was uns in die Quere kommt, Gott zu uns reden will.

So erging es einem Afrikaner, dem ein neues Testament angeboten wurde. Er lehnte ab und meinte, er werde sich aus dem Papier doch nur Zigaretten drehen. Der Mann, der ihm das NT schenken wollte, war damit einverstanden unter der Voraussetzung, dass er zuvor jede Seite auch lesen würde. So rauchte der Afrikaner erst das ganze Matthäusevangelium, und dann den Markus und dann  den Lukas, bis er ins dritte Kapitel im Johannesevangelium sich durchgeraucht hatte. Dann las er die Botschaft, die ihn ins Herz traf: "Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben." Über diesem Wort ist er dann zum Glauben gekommen.

Freude ist im Himmel über jeden Menschen, der sich öffnet für den Anruft Gottes und Lachen wird im Himmel sein und auf Erden über die bisweilen verrückten Wege, auf denen ein Mensch zu Gott und zu Jesus Christus findet.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Diese "Trotzdem" wollen wir nicht überhören. Es erinnert an die Widrigkeiten des Lebens, an das Schwere, das uns bisweilen zugemutet wird. Humor, der trotzdem lacht, ist dann so eine Art  Bewältigung des Lebens, auch des schweren Lebens.

Der Delinquent, der am Montagmorgen zum Galgen geführt wird, tut den Ausspruch: "Na, die Woche fängt ja gut an!"

An diesem extremen Beispiel von Galgenhumor tritt das Wesen des Humors wie in einer Karikatur besonders scharf zutage. Humor: das ist die Fähigkeit des Menschen, sich von den Fährnissen des Lebens nicht verschlingen zu lassen, vielmehr lachend zu ihnen auf Distanz zu gehen. Humor ist wie eine Gegenmacht zu den Dingen und Mächten, die uns nach unten ziehen wollen.

Hat der Humor am Ende, in der Begegnung mit der Todesmacht, ausgespielt?

Alfred Delp, ein katholischer Priester, fragt auf dem Weg zur Hinrichtung während des Dritten Reiches den ihn begleitenden Gefängnisseelsorger nach den letzten Nachrichten zum Frontverlauf. Der Pfarrer kann nicht mit Neuigkeiten aufwarten, darauf Delp: "In einer halben Stunde weiß ich mehr als Sie."

In diesem feinen Humor angesichts des Naziterrors und des eigenen Todes kommt das Licht der Ewigkeit zum Vorschein. Eine österliche Hoffnung spricht sich in diesem Humor aus. Wir werden erinnert an Zeilen aus einem Osterlied Paul Gerhardts, das wird jetzt singen.

Die Welt ist mir ein Lachen mit ihrem großen Zorn,
sie zürnt und kann nichts machen, all Arbeit ist verlorn ...
Der Tod mit seiner Macht wird nichts bei mir geacht’
Er bleibt ein totes Bild, und wär er noch so wild.

So ist Humor, wie Sören Kierkegaard einmal bemerkt, die "Freude, welche die Welt überwunden hat."

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen

 

Ein besonderes Wort auf den Weg in den Alltag:

Der Reverend Mac Brevish in Minneapolis sprach vor jeder Mahlzeit das Tischgebet. Eines Tages unterließ er es und nahm Messer und Gabel ohne weiteres in die Hand. "Warum versäumst du es, den Herrn zu bitten, dass er unser Mahl auch segnen möge?" fragte seine Gattin gekränkt. "Meine Liebe", erwiderte sanft der Ehegatte, "bei deiner Kunst der Resteverwertung befindet sich auf diesem Tische nichts, was nicht schon mindestens viermal gesegnet wäre."

Ein Bauer müht sich auf seinem mageren Acker, da kommt der Pfarrer hinzu und meint: "Das wird nicht viel geben. Du musst beten, mein Freund." Darauf der Bauer: "Nein, Herr Pfarrer, da hilft kein Beten - da hilft nur Mist."

Dietrich Bonhoeffer meinte einmal: "Unser Gebet ersetzt nicht unsere Tat. Aber unser Gebet ist eine Tat, die durch nichts ersetzt werden kann." Vielleicht muss Gott auch darüber lachen, dass wir die Dinge oft so alternativ sehen, obwohl sie doch eigentlich zusammengehören.