3. Sonntag nach Epiphanias / 22. Januar 2006
Pfarrer Klaus Zimmermann

  

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!

Die Lebenserfahrenen wissen das. Mit Überraschungen sollten wir immer rechnen. Und zu den spannendsten Überraschungen gehört es wohl, wenn ein Mensch unverhofft und nicht geplant zum Glauben findet an den einen und einzigen Gott.

So erging es einem Feldherrn namens Naaman. Vor bald 3.000 Jahren lebte er in Aram, im heutigen Syrien. Er war krank und suchte Heilung und fand am Ende das Heil. Er ging in die Sprechstunde beim Mann Gottes und begegnete dem lebendigen Gott.

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt! Gott sei Dank.

Aber nun hört, was der biblische Erzähler im 2. Buch der Könige von diesem Naaman zu berichten weiß.

  

Naaman, der Feldhauptmann des Königs von Aram, war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn und wertgehalten; denn durch ihn gab der HERR den Aramäern Sieg. Und er war ein gewaltiger Mann, jedoch aussätzig. Aber die Kriegsleute der Aramäer waren ausgezogen und hatten ein junges Mädchen weggeführt aus dem Lande Israel; die war im Dienst der Frau Naamans. Die sprach zu ihrer Herrin: Ach, daß mein Herr wäre bei dem Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz befreien. Da ging Naaman hinein zu seinem Herrn und sagte es ihm an und sprach: So und so hat das Mädchen aus dem Lande Israel geredet. Der König von Aram sprach: So zieh hin, ich will dem König von Israel einen Brief schreiben. Und er zog hin und nahm mit sich zehn Zentner Silber und sechstausend Goldgulden und zehn Feierkleider und brachte den Brief dem König von Israel; der lautete: Wenn dieser Brief zu dir kommt, siehe, so wisse, ich habe meinen Knecht Naaman zu dir gesandt, damit du ihn von seinem Aussatz befreist. Und als der König von Israel den Brief las, zerriß er seine Kleider und sprach: Bin ich denn Gott, daß ich töten und lebendig machen könnte, daß er zu mir schickt, ich solle den Mann von seinem Aussatz befreien? Merkt und seht, wie er Streit mit mir sucht! Als Elisa, der Mann Gottes, hörte, daß der König von Israel seine Kleider zerrissen hatte, sandte er zu ihm und ließ ihm sagen: Warum hast du deine Kleider zerrissen? Laß ihn zu mir kommen, damit er innewerde, daß ein Prophet in Israel ist. So kam Naaman mit Rossen und Wagen und hielt vor der Tür am Hause Elisas. Da sandte Elisa einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder heil und du wirst rein werden. Da wurde Naaman zornig und zog weg und sprach: Ich meinte, er selbst sollte zu mir herauskommen und hertreten und den Namen des HERRN, seines Gottes, anrufen und seine Hand hin zum Heiligtum erheben und mich so von dem Aussatz befreien. Sind nicht die Flüsse von Damaskus, Abana und Parpar, besser als alle Wasser in Israel, so daß ich mich in ihnen waschen und rein werden könnte? Und er wandte sich und zog weg im Zorn. Da machten sich seine Diener an ihn heran, redeten mit ihm und sprachen: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, hättest du es nicht getan? Wieviel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein! Da stieg er ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein. Und er kehrte zurück zu dem Mann Gottes mit allen seinen Leuten. Und als er hinkam, trat er vor ihn und sprach: Siehe, nun weiß ich, daß kein Gott ist in allen Landen, außer in Israel; so nimm nun eine Segensgabe von deinem Knecht. Elisa aber sprach: So wahr der HERR lebt, vor dem ich stehe: ich nehme es nicht. Und er nötigte ihn, daß er es nehme; aber er wollte nicht. Da sprach Naaman: Wenn nicht, so könnte doch deinem Knecht gegeben werden von dieser Erde eine Last, soviel zwei Maultiere tragen! Denn dein Knecht will nicht mehr andern Göttern opfern und Brandopfer darbringen, sondern allein dem HERRN. Nur darin wolle der HERR deinem Knecht gnädig sein: wenn mein König in den Tempel Rimmons geht, um dort anzubeten, und er sich auf meinen Arm lehnt und ich auch anbete im Tempel Rimmons, dann möge der HERR deinem Knecht vergeben. Er sprach zu ihm: Zieh hin mit Frieden! Und als er von ihm eine Strecke Weges fortgezogen war.
2. Könige 5, Verse 1 - 19

 

Wie kommt dieser Naaman zum Glauben an den einen und einzigen Gott?

Er hat auf das Unscheinbare achten gelernt.

Ein junges Mädchen aus Israel war Dienstmagd seiner Frau. Syrische Soldaten hatten sie bei einem Streifzug ins feindliche Nachbarland Israel verschleppt. Immer ist Bedarf an billigen Arbeitskräften. Aber diese junge Frau hat Mitleid mit Naaman. Krankheit lässt auch den Feind in seiner Hilflosigkeit sehen. Wer weiß, wo Naaman schon überall Rat und Hilfe suchte. Vergeblich! Nun vertraut das Mädchen aus Israel der Frau des Naaman einen heißen Tipp an: "Wäre mein Herr doch bei dem Propheten in Samaria! Er würde seinen Aussatz heilen." Und die Frau des Naaman behält den Tipp nicht für sich, sondern gibt ihn wohl brühwarm an ihren Mann weiter. Und der wird ganz Ohr. Das ist nicht selbstverständlich. Weibergeschwätz galt damals nichts. Und  schon gar nicht das Wort eines jungen Mädchens, einer ausländischen Sklavin. Aber Naaman ist ganz Ohr. Der Hinweis auf mögliche Hilfe weckt neue Hoffnung.

Vielleicht ist es ihm schwer gefallen, den Tipp dieser unbedeutenden und unscheinbaren jungen Frau ernst zu nehmen. Aber wer krank ist und Hilfe sucht, geht allen Hinweisen nach und scheut keine Kosten, sofern er über das nötige Kleingeld verfügt.

Manchmal ist das auch der Anfang eines bewussten Glaubensweges: Wir achten auf das Wort und den Hinweis eines unscheinbaren Christenmenschen. Vielleicht lädt dich dein Klassenkamerad zum Schülerbibelkreis ein oder dein Arbeitskollege deutet an, wie er  aus der Bibel seine Kraft holt, um seinen Alltag zu meistern. Ganz normale Menschen, keine Glaubenshelden, eher unscheinbar, aber ihr Hinweis könnte in dir eine tiefe Sehnsucht berühren. Verachte das Unscheinbare nicht.

Naaman lässt sich vom König vom Militärdienst beurlauben und bekommt sogar noch ein Schreiben mit. Das ist sozusagen die amtliche Überweisung! Und dann macht sich Naaman auf den Weg, begleitet von einem Trupp von Dienern und bepackt mit ungeheuren Mengen an Geld und Edelmetallen und kostbaren Gewändern. Er rechnet wohl mit einer hohen Praxisgebühr!

Am Königshof in Israel sucht er den Propheten zu finden, der ihm helfen kann. Vielleicht dachte er, der Prophet Elisa gehört zu den königlichen Hofpropheten, die vom König bezahlt werden. Religiöse Kompetenz und Vollmacht muss auch im Zentrum politischer Macht angesiedelt sein. Das entsprach seinem Weltbild und dieses Weltbild hat Schule gemacht bis ins 20. Jahrhundert hinein: die enge Verbindung von Thron und Altar. Der Besuch des Naaman löst beim König heftige Reaktionen aus. Er wittert sogar einen neuerlichen Trick seines Gegenspielers. Und Naaman muss weiterziehen. In der Welt höfischen Glanzes ist die Hilfe nicht zu finden. Er muss wieder auf das Unscheinbare achten lernen. Und dann wird er wohl Halt machen mit seinem riesigen Tross irgendwo auf dem Land, vielleicht vor einer armseligen Hütte. Hier soll er wohnen, der Mann Gottes, der Prophet. Und der kommt nicht einmal selbst heraus zur Begrüßung. Er schickt seinen Diener und der heißt ihn zum Jordan gehen und siebenmal untertauchen. Naaman ist empört. Nein, das ist doch eine Zumutung: im trüben Jordangewässer baden. Da sind doch die heimatlichen Flüsse dagegen kristallklar. Und außerdem: er hat fest damit gerechnet, dass der fremde Prophet einen beeindruckenden Hokuspokus zelebriert. Naaman ist auf 180. Er will sofort abreisen. Nur die kluge Argumentation seiner Diener kann ihn beschwichtigen. Und dann steigt er in den Jordan und taucht siebenmal unter und erlebt das Wunder seines Lebens. Er wird gesund: sein Aussatz, wohl eine Schuppenflechte, wird geheilt und in dieser Heilung erkennt er das Wirken des einen und einzigen Gottes. Er findet nicht nur Heilung. Er findet zum Heil. Den einen und einzigen Gott kennen und anerkennen und ihm vertrauen, heißt heil werden. Wieder hat Naaman auf das Unscheinbare achten lernen müssen. Trübes dreckiges Jordanwasser ist ja wirklich nicht sonderlich beeindruckend. Aber so ist der eine und einzige Gott: er wirkt nicht selten im Unscheinbaren. Er bedient sich einfacher Menschen, um auf sich aufmerksam zu machen. Er will zu Wort kommen im Wort eures Pfarrers, das man doch auch kritisieren kann. Im Brot und Wein beim Abendmahl teilt er seine verzeihende Liebe aus. Und Jessica wurde heute getauft mit schlichtem Dietlinger Leitungswasser und eben darin fängt die große Reinigung an: das Heilwerden, das in Verbindung kommen mit dem dreieinigen Gott.

Wir hätten es gerne spektakulärer, aber Gott liebt das Unscheinbare. Und so wird das Kreuz, das Zeichen des Todes und des Scheiterns zum Zeichen seiner rettenden und verwandelnden Liebe.

Vielleicht müssen wir das mit Naaman wieder lernen: Gott auch im Unscheinbaren am Werk sehen.

Noch eine Lektion muss Naaman lernen. Geht es um Heilung und Heil, dann geht es immer auch um etwas Unbezahlbares. Naaman will Elisa reich  beschenken. Aber der lehnt ab. Er lässt sich auch nicht drängen. Elisa steht für den einen und einzigen Gott, der sich nicht kaufen lässt.

Das wird uns zu denken geben, zumal unsere Zeit doch geprägt ist von der Vorstellung, dass alles käuflich ist. Gesundheit wird zunehmend käuflich. Wer Knete hat, kann sich entsprechend behandeln und therapieren lassen. Naaman und wir mit ihm müssen lernen: Gesundheit und Heilung sind ein wunderbares Gut und eben nicht nur käuflich. Wohl dem, der sein Gesundwerden auch als Geschenk begreifen und annehmen kann. Und erst recht das Heilwerden der Seele, das in Ordnung kommen mit Gott, die Erfahrung, dass mir vergeben wird, dass Gott mich neu anfangen lässt, dass ich im Glauben an Jesus Christus Hoffnung habe über den Tod hinaus: das alles ist nicht käuflich. Es ist Gnade. Ein unverdientes Geschenk. Mit unseren Kirchensteuern erkaufen wir uns nicht den Himmel. Freilich unsere Kirchensteuern und unser Opfer dürfen auch ein Dankeschön sein, mit dem wir Gott ehren und seine Sache unterstützen.

Noch etwas ist mir wichtig geworden. Naaman will jetzt ganz für den einen und einzigen Gott da sein, ihm allein vertrauen, die alten Götter loslassen. Darum nimmt er Erde mit in seine Heimat, ein Erinnerungszeichen an das, was ihm widerfahren ist. Ein Zeichen dafür, dass er jetzt auf einem anderen "Boden" leben darf.

Vielleicht brauchen wir auch solche Zeichen, wenn wir zurück kehren in unseren Alltag, in dem Gott oft weit weg zu sein scheint. Vielleicht ist es ein Kreuz an der Wand, an dem Du täglich einmal inne hältst. Oder da liegt auf deinem Nachttisch das Losungsbüchlein oder die Bibel, die dich erinnert, dass Gott mit dir reden will. Oder du achtest auf die Glocken und lässt dich in deinem Tun unterbrechen und bist für Augenblicke ganz in der Gegenwart Gottes. Ich glaube, wir brauchen mehr und mehr solche Zeichen, damit wir nicht untergehen im Glauben, nicht abgelenkt werden von fremden Zeichen und Bildern und uns verlieren an das, was so glitzernd und imponierend daherkommt.

Auf das Unscheinbare achten, in dem Gott da ist und wirkt, das Unbezahlbare schätzen, dass Gott mich kennt und liebt und in Jesus Christus mir alle meine Sünden vergibt und zu einem neuen Anfang ruft, durch Zeichen mich erinnern lassen, dass ich Gott ganz gehören darf auch im Alltag, das will ich von Naaman lernen. Vielleicht ihr auch.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.