Jubilate / 21. April 2002 / Konfirmation
Pfarrer Klaus Zimmermann

  

Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.
Matthäus 13, Vers 44

 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde,

fünf oder sechs Jahre war ich alt, da füllte ich ein kleines Kästchen mit Ketten, Perlen und glänzenden Steinen und vergrub es im Garten vor unserem Haus. Nun wusste ich um einen Schatz, ich ganz allein und konnte ihn finden, wann immer ich wollte.

Habt Ihr Euren Schatz schon gefunden? Ihr träumt doch davon- oder? Oder sind alle Träume schon geplatzt? Das glaube ich nicht. Jeder Mensch ist auf Schatzsuche, ein Leben lang. Wer will das nicht: reich sein, "sagenhaft" reich? Ihr denkt ans Geld, an den Sechser im Lotto! Morgen, wenn Ihr Konfirmanden und Konfirmandinnen alles Geld gezählt habt, das Euch die Gäste mitgebracht haben, dann seid Ihr ganz sicher reicher und könnt Euch den "Schatz" leisten, von dem Ihr schon lange träumt. Aber Geld ist nicht alles. Ihr wisst es doch auch. Wie viele haben "Knete", aber keinen Menschen, der zu ihnen sagt: "Du, mein Schatz!" Ein Schatz sein für andere- was für eine beglückende Erfahrung. Und wie reich wird sich ein Mensch fühlen, der zu einem anderen sagen kann: "Du, mein Schatz!" Schatzsucher sind wir ein Leben lang, auf der Suche nach etwas ganz Kostbarem, das uns reich macht und glücklich, nicht nur außen, sondern innen, im Herzen, in der Seele. Liebe ist so ein Schatz. Du kannst ihn nicht kaufen, aber finden. Und wenn Du ihn findest, dann strahlst Du aus allen Knopflöchern.
Für immer? Jesus ist an diesem Punkt sehr realistisch. Er sagt: Es gibt Schätze, an denen nagt der Zahn der Zeit, die kommen plötzlich abhanden, werden gestohlen. Sind einfach weg. Und wir stehen dann leer da, ganz leer. Und ein seltsamer Schmerz brennt in uns. Immer tut es weh, wenn wir nicht mehr haben, was uns einmal Schatz war.

Jesus provoziert. Er sagt einmal: "Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde, sondern Schätze im Himmel. Die werden nicht gestohlen. Die setzen keinen Rost an. Die kommen nicht abhanden. Die bleiben!"

Jesus provoziert. Fordert heraus. Unseren Widerspruch oder eine andere Sicht der Dinge. Es könnte ja sein, wir suchen unsere Schätze zu sehr auf der Erde, im Irdischen, in dem, was vergeht. Es ist schon wahr: wir sind auf Schatzsuche vom ersten Atemzug an. Aber was ganz kostbar ist und was uns unendlich reich macht, ist nicht ein Ding dieser Welt und wäre es die bezauberndste Beziehung, die wir uns vorstellen können. Der Schatz aller Schätze ist im Himmel. Es ist Gott selbst, das Leben selbst, die Liebe selbst. Nur er kann unsere Sehnsucht nach etwas ganz Kostbarem wirklich erfüllen. Und wo dürfen wir suchen?

Ganz unten.

Jesus hat dazu auch eine kleine Geschichte erzählt. Das Himmelreich, also Gott in seiner Herrschaft, wenn er das Sagen hat, gleicht einem Schatz, verborgen im Acker. Wir können uns das gut vorstellen. Vielleicht war mal wieder Krieg. Das Dröhnen der Soldatenstiefel rückte immer näher. Der Bauer hatte schnell das Tafelsilber und sonstigen Schmuck im Acker vergraben. Lange war es dort vergraben. Der Bauer starb und die Söhne wussten nicht mehr, wo der Schatz verborgen lag. Dann eines Tages stößt ein Tagelöhner mit dem Pflug an etwas Hartes. Nein, es ist kein Stein. Und er traut seinen Augen nicht. Eine Schatztruhe. Silberbesteck. Ein goldener Reif. Eine wunderbare Halskette. Die Steine funkeln in der Mittagshitze. Der Mensch ist wie von Sinnen. Und er hat nur noch eines im Sinn: der Schatz muss sein werden. Schnell vergräbt er ihn wieder. Niemand soll etwas wissen von seiner Entdeckung. Er platzt schier vor Freude und riskiert alles. Viel hat er nicht, aber was er hat, wird verkauft. Alles wird umgesetzt in Euro und Cent. Und dann wird der Kaufvertrag unterschrieben. Der Acker wechselt den Besitzer und der Schatz gehört ihm. Clever hat er gehandelt, dieser Tagelöhner und auch ein bisschen verrückt.

Was an der Geschichte deutlich wird?

Im Acker der Welt ist ein Schatz verborgen. Gott ist der Schatz im Acker der Welt. Er ist "da". Er muss nicht erst vergraben werden wie der sechsjährige Bub seinen Schatz vergraben hat. ER ist da. Aber verborgen. Die Leute gehen drüber weg. Sie gehen ihrer Arbeit nach. Sie lieben und hassen. Sie leben und sterben. Und leben drüber weg. Wissen nicht, dass da ein Geheimnis verborgen ist im Acker der Welt. Aber es ist da. Er ist da. Gott ist da.

Kürzlich besuchte ich eine alte Frau. Sie ist jetzt viel allein. Mit ihren trüben Augen schaute sie mich an und sagte plötzlich: "Er ist da. Gott ist da. Und dann spreche ich mit ihm über mein Leben und alles ist gut." ER ist da. Das ist sein Name von altersher: "Ich bin da." Immer ist es etwas Wunderbares, wenn Menschen auf ihn "stoßen", nicht länger darüber hinweg gehen. Ich habe mich gefragt, wie das bei mir war. Wann bin ich auf IHN gestoßen? Ich weiß es nicht genau. Schon als Kind fühlte ich mich angezogen. Ich marschierte zum Kindergottesdienst und meine Eltern wollten einen Ausflug machen. Das ging dann nicht ohne Konflikte. Oder war es, als ich mit 16 oder 17 Jahren mein Leben sehr bewusst im Gebet Gott anvertraute? Fragen wir Zachäus, wann er Gott entdeckt hat, dann wird er mit strahlenden Augen davon erzählen, wie Jesus bei ihm zu Gast war und er ganz leiblich die vergebende und verwandelnde Liebe Gottes spürte in der Gegenwart dieses Jesus. Manchmal sind es auch schwere Zeiten, in denen Menschen auf Gott stoßen. Krankheiten, sagte einmal ein Schriftsteller, sind wie Schlüssel, die uns verborgene Räume aufschließen. Wie ist es bei Euch Konfirmanden? Seid Ihr in diesen Monaten einfach darüber hinweggegangen oder habt Ihr etwas von Gott und von Christus entdeckt? Ist er da in Eurem Leben? Oder ist er nur eine Girlande, die wir aufhängen, damit uns hin und wieder etwas feierlicher zumute ist?

Gott ist da, sagt Jesus. Er lebte dafür. Er starb dafür. Er wurde dafür dem Tod entrissen. Gott ist da. Der Schatz im Acker der Welt. Der Glanz im Dreck. Das Kostbare unter allem glitzernden Plunder. Die Vergebung in der Schuld. Unser Leben mitten im Tod. Die Quelle der Freude aller Tristesse zum Trotz.

Apropos Freude. Das erwähnt Jesus ausdrücklich: den Taglöhner, den armen Schlucker hat die große Freude gepackt. Und die Freude lässt ihn aufs Ganze gehen. Er will den Schatz haben. Er kann nicht ohne ihn leben. Er tut Verrücktes, um den Schatz zu behalten.

Manchmal, meint Jesus, müssen wir wohl auch Verrücktes tun, in den Augen der Normalen Verrücktes tun, wenn Gott uns zum Schatz des Lebens geworden ist. Ich erinnere mich an einen Konfirmanden aus meiner letzten Gemeinde. Er kam aus ganz normalen Verhältnissen. Die Eltern schickten ihn zum Konfis und meinten: "Das gehört dazu. Das kriegst Du schon herum!" Und er kam und radelte immer 5 km vom Nachbarort zum Hauptort. Dienstags und sonntags und irgendwann stieß er auf den Schatz im Acker. Nach der Konfis-Zeit radelte er weiter, ganz freiwillig, engagierte sich in der Jugendarbeit, las seine Bibel. Die Eltern verstanden ihren Sohn nicht mehr. War der "verrückt" geworden? So ernst musste er doch die Sache nicht nehmen. Ach ja, wenn Gott nur eine Sache wäre, dann könnten wir ab und zu geben. Aber wenn er uns zum Schatz wird, zur großen Liebe ... dann schämen wir uns auch nicht, Verrücktes zu tun. Mit anderen Gottesdienst feiern, sich für andere einsetzen, Zeit und Kraft opfern in seiner Gemeinde, Unrecht beim Namen nennen, der Versöhnung den Weg bereiten, mit Gott über alles reden, ihm auch die eigenen dunklen Seiten nicht vorenthalten- es gibt Menschen, die können über solche Verrücktheiten nur lachen. Vielleicht sind unter uns Menschen, die solches auch für überzogen und ein bisschen für verrückt halten. Aber wisst Ihr: wem Gott zum Schatz wird, zur großen Liebe, an der sein Herz hängt, der kümmert sich nicht groß um das Urteil der Normalen, der tut schon auch „verrückte“ Dinge um dran zu bleiben am Schatz.

Also: was wir heute tun: Konfirmation feiern, das ist irgendwie normal. Das tun ja noch fast alle! Aber morgen, übermorgen, wenn der Alltag des Lebens uns wieder hat, dann zeigt sich, wie clever und wie verrückt wir sind nach dem Schatz, den wir stammelnd Gott nennen und der sich uns in Jesus gezeigt hat als suchende und rettende Liebe.

Er ist da! Manchmal schrecklich verborgen in den Widersprüchen und Dunkelheiten, aber ER ist da. Seid auch ein wenig clever und verrückt, um an diesem Schatz dran zu bleiben.