Himmelfahrt 1953
Dekan D. Friedrich Hauß

  

Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
Matthäus 28, Verse 18 - 20

Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist. Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit. So tötet nun die Glieder, die auf Erden sind, Unzucht, Unreinheit, schändliche Leidenschaft, böse Begierde und die Habsucht, die Götzendienst ist. Um solcher Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams.
Kolosser 3, Verse 1 - 6

 

I. Unvergeßlich ist mir der Himmelfahrtstag 1945 drüben in Nöttingen und Wilferdingen, als der Krieg und das Morden und die Angst zu Ende ging, und wir den Herrschaftsantritt Jesu Christi so bewußt feiern konnten.

Himmelfahrt, das ist Königsproklamation Jesu, das Fest der Machtergreifung. Daß Jesus König ist, das hat man unter den Christen in beiden Dörfern in die letzte Hütte hineingerufen. Viele hatten doch vorher das baldige Ende der Christusherrschaft vorausgesagt. Aber nun war das wahr geworden, was der 110. Psalm sagt: "Setze dich zu meiner Rechten, bis ich alle deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege." Noch hat er viele Feinde, die nicht wollen, "daß dieser über uns herrsche." Er wird aber herrschen, bis er all seine Feinde zum Schemel seiner Füße legen wird, bis sich ihm beugen alle Knie. Du kleine Herde frohlocke, dein König ist Herr aller Welten. Ihm ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Höre, der König aller Könige ist Jesus, nicht ein Mann im Winkel, nicht eingeschlossen in die engen Kirchenmauern, sondern der Höchste, der alles lenkt, dem die Könige und Herren müssen untertan sein.

Wer den König Jesus nicht ehrt und liebt, zu dem können wir auch im öffentlichen Leben kein rechtes Vertrauen haben, der hat auch kein Glück auf Dauer, dem kann es nicht gelingen. Es ist Sünde, Jesum beiseite zu setzen. Es ist gerecht, also vor Gott recht, IHN zu ehren und zu lieben. Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben. Von IHM kommt aller Segen, alle Gnade. An IHM kommt keiner vorüber, daß man ihn etwa übergehen könnte, und in der Selbsttäuschung verharren, als könnte man doch mit seiner bloß bürgerlichen Gerechtigkeit Gott wohlgefallen.

II. Ihm ist gegeben alle Gewalt, so gibt es, wie die Schrift sagt, auch kein Unglück, das der Herr nicht tue. Und alles Unglück ist - von Gott her gesehen - nur gnädige Heimsuchung, daß wir nicht unaufgehalten in den Abgrund des eigenen Verderbens rennen. "Unglück", "Katastrophe" sagen die einen, "rettender Aufenthalt" so erfahren´s die andern. So war es bei dem später bekannten Indienmissionar Samuel Hebich. Als er auf´s Schiff will, wird er verhaftet - das Schiff geht unter. - Die Gerichte Gottes sind gnädige Heimsuchungen. Das Sterben der Vielen ist ein Anruf an die Lebenden. Bete doch jeder, wenn das Sterbeglöckchen läutet: Wer weiß, wie nahe mir mein Ende, hin geht die Zeit, her kommt der Tod. (Es war damals in Dietlingen üblich, wenn das Sterben eines Gemeindeglieds gemeldet wurde, wurde die Sterbeglocke dreimal angeläutet.)

Bereitet euch! Es ist Zeit, ihr, die ihr so sicher lebet! Solch eine gnädige Heimsuchung ist auch der Frost, der Reif in der Frühlingsnacht, der über unsere Weinberge kam. Wir sollen merken, nicht unsere glänzenden Organisationen, nicht unsere gescheiten Spritzmittel machen und erhalten den Saft der Reben, sondern Gottes Gnade allein. Gott hat uns nun dieses Jahr die edle Gabe entzogen, weil wir oder viele sie mißbraucht haben. Mißbraucht haben sie nicht nur die Süchtigen, die sich, ihren Leib und die Seele und die Ihren zugrunde richten und irgendwie auf der Flucht sind vor dem höchsten König, statt seine Hilfe zur Heilung des Schadens zu erbitten; mißbraucht haben sie auch die, die diese Gabe Gottes gering achten gegenüber dem, was sie mit ihrer Hände Arbeit normalerweise zu leisten vermögen, die betonen, "wir sind krisenfest", und haben doch weder ihre Gesundheit noch die Länge ihres Lebens in ihrer eigenen Hand. Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre!

III. Aber nun, liebe Gemeinde, die da glaubt, freu dich deines Herrn! Wie wird man ein an Christus Glaubender? Es kommt darauf an, daß wir in die Lebensgemeinschaft mit Christus eintreten. Diese Lebensgemeinschaft meint das Wörtlein: m i t . Seid ihr mit Christus auferstanden, wie es Paulus seiner Gemeinde zuspricht? Es ist wie bei einem Brautpaar, das vor dem Altar steht. Sie treten in eine Lebensgemeinschaft miteinander ein. Ist das eine hoch geehrt und hat großen Lebenserfolg, so hat das andere Anteil daran. Kommt eins in Schanden, dann trägt das andere an der Schande mit. Hat eins ein großes Vermögen, so hat das andere Anteil daran. Kommt eins in geldliche Not, so hat das andere mitzuleiden. So ist es mit Christus und dem Menschen, der ihm angehört. Diese Menschenseele hat Anteil an seinem Schicksal, sie leidet und stirbt mit ihm und steht mit ihm auf zu himmlischer Herrlichkeit. Christus wird erhöht zur Rechten des Vaters, und der, der ihm angehört, wird nach oben mitgezogen zu lichten Höhen. Er kann kein Maulwurfdasein mehr führen, er ist nach oben gezogen. "Seid ihr mit Christus auferstanden, so suchet, was droben ist, wo Christus ist ..." "Euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott", das ist ein vor der Welt verborgenes Leben, dessen Lebensquelle die Menschen drum herum nicht kennen. Es ist ein Leben in Verbindung mit der in Gott verborgenen, also nicht offen sichtbaren Lebensquelle in Christus. Wie es im Lied heißt: "Es glänzet der Christen inwendiges Leben, obgleich sie von außen die Sonne verbrannt. Was ihnen der König des Himmels gegeben, ist keinem als ihnen nur selber bekannt". Aber wenn der bei Gott verborgene Christus offenbar werden wird in seiner Wiederkunft als der Herr aller Herren, dann werden die Seinen mit ihm offenbar werden, leuchten wie die Sonne, werden mit ihm herrschen und mit ihm leben.

Mit ihm leben kann aber nur der, der mit ihm gestorben ist, der erkannt hat, daß Christus um dieses Menschen Sünden willen dahin gegeben ist, daß Er an seiner statt die Strafe getragen und den Tod erlitten hat. Da ist das alte Wesen durchschaut, gerichtet und vernichtet, damit das neue Leben offenbar werden kann. Stirb mit ihm, laß dieses alte Leben los, bekenne die Sünden, die zu diesem alten Leben gehören, so wirst du mit ihm leben.

IV. Wie tritt man ein in die herzliche Lebensgemeinschaft mit Christus? Es ist wie bei dem Brautpaar: Indem man ihn zu sich reden läßt, um ihn liebzugewinnen. Wir nahen uns zu ihm, er neigt sich zu uns. "Ich will dich lieben, meine Stärke, ich will dich lieben, meine Zier. Ich will dich lieben, schönstes Licht, bis mir das Herze bricht." "Dich will ich lieben, dich will ich ehren, du, meines Herzens Freud und Wonn" (Aus dem Lied "Schönster Herr Jesu"). Und dann, wenn wir ihm die Antwort geben auf sein Reden, das wir in unserm Herzen deutlich spüren, - wenn wir ihm Antwort geben im Herzensgebet, da kommt die Glut seiner Liebe über unser Herz und erfüllt uns. Da findet unser innerstes Sehnen tiefste Stillung: "Nicht im Geschöpf, nicht in den Gaben, mein Leben ruht in dir allein", heißt es in dem Lied "Ich bete an die Macht der Liebe". Man muß es erfahren haben, daß der Schöpfer mehr wert ist als das Geschöpf, der Geber mehr als die Gaben, dann läßt man sich zu ihm ziehen. Auf dieses Hören und Antworten im Gebet kommt alles an. Wer das unterläßt, der findet ihn nie.

Wer ihn aber findet, dessen Leben wird neu. Der hat eine andere Orientierung in seinem Lebensweg, der kann sich bewähren in seinen Aufgaben auf der Erde, weil er eine ganz andere Kraft hat, die Aufgaben in Liebe zu seinem Herrn und in seinem Auftrag zu erfüllen. Vorher ist er nur an den irdischen Gegebenheiten interessiert, gleicht eher dem Maulwurf, der sich selbst sein Grab gräbt, nachher gleicht er dem Adler, der in die Höhe fliegt. Er sucht als Mensch, dessen Leben an Christus in der Höhe angebunden ist, das, was droben ist. Er läßt dahinten, "tötet", sagt Paulus, was ihn an die pure Erde bindet, er löst alle Seile, die ihn nach unten binden. Er läßt sich nach oben ziehen, nach oben!