Osterzeit 1953
Dekan D. Friedrich Hauß

  

Halt im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten, aus dem Geschlecht Davids, nach meinem Evangelium, für welches ich leide bis dahin, daß ich gebunden bin wie ein Übeltäter; aber Gottes Wort ist nicht gebunden. Darum dulde ich alles um der Auserwählten willen, damit auch sie die Seligkeit erlangen in Christus Jesus mit ewiger Herrlichkeit. Das ist gewißlich wahr: Sterben wir mit, so werden wir mit leben; dulden wir, so werden wir mit herrschen; verleugnen wir, so wird er uns auch verleugnen; sind wir untreu, so bleibt er doch treu; denn er kann sich selbst nicht verleugnen.
2. Timotheus 2, Verse 8 - 13

 

Die Auferstehung Jesu Christi ist die bestbezeugteste Tatsache der Weltgeschichte, sagt der große Geschichtsschreiber Theodor Mommsen. Diese Tatsache kann aus der Welt nicht mehr ausgelöscht werden. Gedanken können sich als Unsinn entlarven, Organisationen können vernichtet werden, aber was geschehen ist, ist nicht ungeschehen zu machen, das bleibt. Unser Christenglauben beruht nicht auf einer Idee, auch nicht auf einer Organisation oder Institution, die man vernichten könnte, sondern auf der Tatsache, daß Jesus Christus für uns geboren, gestorben und auferstanden ist. Die Feinde des Herrn Christus haben schon oft in ihrer Geschichte die Institution Gemeinde ausgelöscht, die heiligen Bücher verbrannt, die Kirchen zerstört, die Grundlagen des Glaubens lächerlich gemacht, aber an Jesus Christus konnten sie nicht heran, nicht die Tatsache auslöschen, daß er geboren, gestorben und auferstanden ist. Der Fels der Heilstatsachen blieb unerschüttert und darauf ist die Gemeinde gebaut, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.

Wir Menschen treffen normalerweise unsere Gegenwartsentscheidungen aufgrund von der Erinnerung an das Vergangene. Das, was einer in vergangenen Tagen bis zur Gegenwartsstunde erlebt hat, beeinflußt und gestaltet seine Entschlüsse. Die ungeheuerste Tatsache der Weltgeschichte ist die Christustatsache. Denn hier hat die Gotteswelt der Ewigkeit die Erdenwelt der Vergänglichkeit berührt. In Jesus Christus hat die Ewigkeit die Zeit in Beschlag genommen. Er ist auferstanden von den Toten.

Timotheus stand in schwerem Ringen mit übermächtigem Heidentum, mit verirrten, lauen Christen, die sektiererischen Bewegungen selbstgemachter Weisheits- und Erkenntnislehren anhingen. Darum rief ihm Paulus zu: "Halt im Gedächtnis Jesum Christum, der auferstanden ist von den Toten. Erinnere dich immer wieder an Jesus Christus, den Auferstandenen."

I. Ein Wort, das mir, eurem Prediger und Hirten zuerst gesagt ist, wenn ich angesichts unserer Gemeinde verzagen wollte, die im geistlichen Licht gesehen trotz aller Mitarbeit und Unablässigkeit im irdischen Schaffen, ein Totenfeld ist, das noch des Auferstehungsfrühlings wartet. Vielleicht regt es sich schon in den Knospen, da und dort erscheint schüchtern ein Frühlingsbote, ein Schneeglöckchen oder so etwas, aber das Ganze liegt noch in Eis und Schnee verborgen da. Das will mich niederdrücken, zumal die frommen Väter und Mütter, in denen Christi Geist lebendig wirkt, und die ein Herz für ihre Kirche hatten und für den missionarischen Dienst, den die Kirche im ganzen Volk tut, ja, den sie auch fürbittend treulich trugen, mehr und mehr von uns scheiden und uns verlassen. - Halt im Gedächtnis Jesum Christum, der auferstanden ist von den Toten. Seine Lebensmacht kann auch den geistlichen Tod durchbrechen!

Liebe Gemeinde, müssen wir nicht doch auch darauf achten, ob sich nicht doch manches Leben unter uns regt? Haben wir nicht womöglich noch Vorzüge vor manchen anderen Gemeinden? Aber es kommt ja nicht auf unser Urteil und das Vergleichen mit andern an, sondern auf Gottes Urteil, das nun in der Heiligen Schrift einfach festliegt. Die Heilige Schrift nennt Todeslinien, hinter denen der geistliche Tod herrscht:

1. Wer in Wollüsten lebt, ist lebendig tot. Wieviele halten ihr sogenanntes Recht auf Ausleben aller Art von Wollust für den wahren und allein das Leben wertvoll machenden Lebensinhalt. (1. Timotheus 5, Vers 6)

2. Wer den Bruder nicht liebt, der bleibt im Tode. Wer seinen Bruder hasset, der ist ein Totschläger, und ihr wißt, daß ein Totschläger nicht hat das ewige Leben bei ihm bleibend (1. Johannes 3, Vers 14). Wo man in Unversöhnlichkeit mit Eltern, Geschwistern oder Nachbarn lebt, da ist man geistlich tot.

3. Wer seine Sünde nicht erkennt, bereut, haßt und läßt, ist geistlich tot. Paulus bekennt von sich in seinem Brief an die Epheser: "Auch uns, die wir tot waren in den Sünden ..." (Epheser 2, Verse 3 - 5). Wer unter diesen Umständen meint, er sei trotzdem recht, ist geistlich tot.

4. Geistlich tot sind die, die nicht glauben an Jesus Christus und ihn nicht liebhaben (Johannes 3, Vers 36). "Wer dem Sohn Gottes nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm." Wie aber kann man glauben, wenn man Gottes Wort nicht hört, denn so heißt es in Römer 10, Vers 17: "Der Glaube kommt aus der Predigt."

Angesichts dieser Arten geistlichen Todes in unserer Dorfgemeinde stärkt mich Gottes Wort: Halt im Gedächtnis Jesum Christum, der auferstanden ist von den Toten! Er kann den geistlichen wie den leiblichen Tod durchbrechen, und wer soll den zurückhalten am Wirken, der stärker ist als der Tod? Er kann auch hier Leben schaffen, Erkenntnis der Sünden und des Heils schenken. Alle, die ihr Jesus liebt und mit mir betrübt seid um den elenden Zustand rings um euch, seid getrost, haltet im Gedächtnis Jesum Christum, der auferstanden ist von den Toten.

II. Halt im Gedächtnis Jesum Christum, der auferstanden ist von den Toten angesichts deiner Leidensnot. Paulus hat gelitten für Jesus Christus, er wurde gefesselt, gefangengesetzt, behandelt wie ein Übeltäter, wie jetzt so mancher Pfarrer und mancher Christ in der Ostzone. Aber er gedachte ständig an Jesus Christus, der ja auch gelitten hat, gestorben und dann auferstanden ist von den Toten. Paulus fürchtete drum weder Leid noch Tod, denn das alles war ihm ein Anzeichen, daß er auf dem rechten Weg sei, um gleichwie des Leidens, so auch der Auferstehungsherrlichkeit Christi teilhaft zu werden. Er wußte, daß man wohl den Zeugen des Evangeliums binden, aber nicht das Wort Gottes binden kann, denn es ist ein lebendiger Same, der überall, wo er hingeweht wird, Wurzel schlägt und Lebenskräfte der Auferstehung entfaltet.

Wir sahen neulich im Kloster Herrenalb auf dem steinernen Torbogen der Ruine eine Tanne groß und mächtig wachsen. Im Stein sogar hatte der Same Wurzel geschlagen. Erinnere dich an Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten. In steinernen Herzen kann der Same seines Wortes Wurzel schlagen. Wo ein Christ um des Evangeliums willen leidet, da ist sein Ostertag schon im Kommen, weil Jesus Christus, sein Herr, auferstanden ist von den Toten. Sein Leiden kann dazu dienen, daß viele gerettet werden durch Christus zu ewiger Herrlichkeit um des Zeugnisses willen, wie jener das Leiden trug.

III. Es ist ein Wort an alle Christen: Haltet immer bei allem, was ihr tut, Jesum, den Auferstandenen, im Gedächtnis. Wenn auch das Selbstverleugnen, das Loslösen und Lossterben "vom eigenen Wesen los", wehtut, so gilt: sterben wir mit, so werden wir sicher mit ihm leben.

1. Du hast dich womöglich in eine schwere Lage zu schicken - gewöhnlich wird ja das Leben schwerer, je älter man wird. Schicke dich hinein, ergib dich drein um Jesu willen, der sich an sein Kreuz ergab und gerade dadurch zur Auferstehungsherrlichkeit kam, daß er geduldig litt. Erinnere dich nicht an andere, denen es besser geht, erinnere dich auch nicht an Zeiten, da du es besser hattest, außer wenn du dafür danken willst. Aber halte Jesus Christus im Gedächtnis, der auferstanden ist von den Toten und nun herrscht, weil er erduldet hat.

2. Du bist vielleicht von Menschen verachtet worden. Man hat dir Dank und Ehre versagt für dein Gutes, was du getan hast; du bist vielleicht tief gekränkt worden, - gedenke an Jesus Christus, der keinerlei Ehre von Menschen bekam, sondern der Allerverachtetste wurde und dann die Ehre von Gott bekam in seiner Auferstehung.

3. Halt Jesus Christus im Gedächtnis, der auferstanden ist, wenn du in der Versuchung stehst, ihn zu verleugnen: Verleugnen wir ihn da, dann wird er uns auch verleugnen, wie hier geschrieben steht. Sowie du ihn aber bekennst, im selben Augenblick wird er sich auch zu dir bekennen vor seinen Geschöpfen und vor seinen Engeln.

4. Oder du lachst, mit den Spöttern und "sitzest, da die Spötter sitzen", aber, ach, so selten in der Gemeinde Christi, da wird er dich verleugnen vor seinem himmlischen Vater und sagen: Diesen da, den kenne ich nicht. Und du wirst ausgestrichen aus dem Buch des Lebens, in das du bei der Taufe eingetragen wurdest. O, wie viele sind ausgestrichen aus dem Buch des Lebens! Also in der Anfechtung, um ungläubiger Menschen willen den Herrn zu verleugnen mit Wort und Lebenswandel, erinnere dich an Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten.

5. Glauben wir nicht, d.h. entziehen wir ihm das Vertrauen, - er bleibt treu, er kann sich nicht selbst verleugnen. Treu blieb er über der Verleugnung des Petrus und suchte den Verirrten; treu blieb er über dir, weil er für dich gestorben und auferstanden ist, er sucht auch dich, den Verlorenen. Du bist ihm wert, wir sind ihm soviel wert wie es sein Leben war, das er hingegeben hat. O ein treuer Herr! Und wenn er uns gefunden hat, bringt er uns heim, wie ein Hirte sein verirrtes Schaf heimträgt. Auf das, was er mit seinem Kreuzestod erreicht hat, können wir uns verlassen. Davon weicht er nicht ab. Halt im Gedächtnis diesen Herrn, der für dich gelitten hat.

IV. Vers 14 schließt hier an: "Daran erinnere sie und bezeuge es vor dem Herrn!" Diesem heiligen Befehl hat Timotheus gehorcht und entsprechend gehandelt. Und es gab eine ganze Welle von treuen Zeugen von der ältesten Christenheit an. Dabei sind Menschen, deren Namen bekannt sind, die in unsere Länder hierher das Evangelium brachten, die dabei Ungeheures wagten, die den Tod nicht scheuten, den Namen Jesu Christi nicht verleugneten und deren Wirkung bis in unsere Zeit herein erkennbar ist. Und nun liegt an uns: Erinnere dich in allem, was du tust, in allen Entscheidungen, die du triffst, in allen Ängsten und Leiden, die du erduldest, an Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten, dann wird dein Leben auch Gewicht und Wirkung haben und dein Herr wird dich in Ewigkeit nicht vergessen.