Epiphaniaszeit 1953
Dekan D. Friedrich Hauß

  

Und das schreiben wir, damit unsere Freude vollkommen sei. Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Wenn wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde. Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.
1. Johannes 1, Verse 4 - 8

 

I. Viele Leute meinen, sie seien Christen und sind es bei weitem nicht. Sie glauben, daß ein Gott ist, sie schätzen auch die Einrichtungen, die uns das Wissen von Gott mitteilen. Aber es ist so, wie wenn einer eben weiß, es gibt ein Elektrizitäts-Kraftwerk dahinten im Murgtal irgendwo, er hat auch schon Lichter leuchten sehen, die von diesem Kraftwerk gespeist werden. Er ist auch ganz damit einverstanden, daß Überlandleitungen gelegt werden, daß die elektrische Einrichtung installiert wird, er benutzt auch ab und zu diese Einrichtungen, das heißt etwa: er benutzt christliche Unterweisung, Kirche, Bibel, Gesangbuch, Gottesdienst, aber die Hauptsache fehlt, das Licht. Man glaubt an den Schöpfer, man weiß vom Erlöser, aber das Licht des Heiligen Geistes fehlt.

Warum? Es fehlt der Anschluß an das Stromnetz, wie bei Neusiedlern, die alles hatten, Leitungen, Lampen, aber keinen Stromanschluß. Es kommt darauf an, wenn wir rechte Christen sein wollen, daß wir Gemeinschaft haben mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Es kommt auf alles an, auf den Anschluß und auf die Verbindung. Wo die ist, da ist Licht, vollkommene Freude. Kurzes Beispiel: Der Missionar aus Indien, der den Eindruck der Sendboten der indischen Kirche von den europäischen Christen schildert: "Es fehlt ihnen die große Freude". Darum ist auch unser Kopfwissen von Gott nichts, weil wir es nicht herzensmäßig, wesenhaft, erfahrungsmächtig wissen, wer Gott ist. Von Gott etwas wissen kann nur der, der sich mit seinem Herzen, ja seinem ganzen Wesen Gott geöffnet hat, so daß bei ihm auch von andern erkennbar wird, daß Gott sein Herr ist. Christus hat uns gesagt, wer Gott ist. Und diese Botschaft geben wir weiter: Gott ist lauter Licht. In ihm ist kein Atom Finsternis. Und: Gott ist lauter Wahrheit, kein Schatten von Unwahrhaftigkeit. "Sein Wort ist wahr und trüget nicht. Es hält gewiß, was es verspricht ..." Die Wahrheit Gottes kann man nicht verstandesmäßig, sondern nur wesenhaft erkennen, indem man selbst wahrhaftig wird. Jesus sagte: "Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme."

Gott ist lauter Gerechtigkeit; kein Schatten von Ungerechtigkeit. Erkennen können wir das nur, indem wir selbst Anteil an Gottes Gerechtigkeit bekommen, vor Gott recht werden, daß er an uns Wohlgefallen haben kann. Einer, der Unrecht getan hat, wird nur gerecht durch Gerichtsurteil und Freispruch. So lange bleibt eben der Vorwurf der Ungerechtigkeit auf ihm sitzen. Wie manche haben schon Strafantrag gegen sich selbst gestellt, um Gerechtigkeit zu finden.

Gott ist lauter Liebe; kein Schatten von Haß ist dabei. Auch seine Gegenwirkung gegen die Sünde, sein Zorn ist nur Liebe, die das Böse nicht geschehen lassen will und ihm widersteht, um die Sünder zu retten. Golgatha brachte die Vernichtung der Sünde am Leibe des eingeborenen Sohnes; da ging der Zorn Gottes bis zur Gottverlassenheit Jesu und war doch lauter Liebe - zu unserer Rettung. Das ist ganz einbeschlossen in Johannes 3, Vers 16 "Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab."

Gott ist lauter Seligkeit, vollkommene bleibende Freude. Es gibt keinen Schatten von Unfreude in ihm. Und doch war Jesus betrübt über Jerusalem, betrübt bis an den Tod in Gethsemane. Und es gibt eine göttliche Traurigkeit, ein Hineinversetzen in unsere Not aus Liebe, um uns zur klaren Erkenntnis unserer Not zu bringen, uns die Wahrheitsstrahlen ins Herz zu senden, damit dann alle Engel jubilieren können über die Sünder, die über sich selbst erschrocken, sich der Gerechtigkeit Gottes stellen, und dann ihren Freispruch erhalten, den Jesus erwirkt hat. Die Freude Gottes strahlt hinüber zu diesen Menschen.

II. Wer aber bist du? Wer sind wir? Wir sind von Natur verlogen, und zwar belügen wir uns selbst. Wir sagen: Wir haben Gemeinschaft mit Ihm und wandeln in der Finsternis. Dies ist die Lüge der Frommen. Es ist ein Herr-Herr-Sagen, das nicht der Wirklichkeit unseres Lebens entspricht. Man behauptet und meint es womöglich auch, mit ihm verbunden zu sein, und ist freudlos; man behauptet, mit ihm verbunden zu sein, und ist ungerecht, unbarmherzig. Man behauptet, mit ihm verbunden zu sein, und hat keine Liebe. Man behauptet, mit ihm verbunden zu sein, und pflegt unsaubere Gedanken und Gefühle.

Und das ist die Sünde der Unfrommen: Man ist unwahrhaftig, wenn die Wahrheit peinlich und mühsam wird. Man behauptet, man sei ohne Sünde, und ist doch von ihm getrennt. Und Sünde ist nicht etwas anderes als Geschiedenheit von Jesus. "So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns."

Wie ist uns zu helfen? Durch ein offenes Bekennen unserer Schuld, nicht nur beseufzen, daß wir halt alle Sünder sind, sondern die Dinge bekennen, die da gegen Gottes Willen geschehen sind. Auch unsere Selbsttäuschung über unser wahres Wesen sollten wir erkennen und bereuen und dann auch bekennen. Bekennen heißt, seine Schuld zugeben, d.h. wahrhaftig werden. Da gehört das Bekennen vor den Menschen genau so dazu, wie das Bekennen vor Gott. Der Beter des 32. Psalms hat es uns vorgemacht: "Denn da ich´s wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Heulen. Denn deine Hand lag Tag und Nacht schwer auf mir, daß mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird. Darum bekannte ich dir meine Sünde, und meine Schuld verhehlte ich nicht."

Dann ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünde vergibt und reinigt uns von aller Untugend. Treu, d.h. er steht zu seinem Wort vom Neuen Bund durch Jesu vergossenes Blut, dem Bund, in dem es das Große ist, daß es klare Vergebung der Sünden gibt. Was Gott mit seinem Sohn uns zugut getan hat, dahinter geht er keinen Zentimeter zurück. Gerecht ist er, weil er das anrechnet, was sein Sohn an unserer statt erlitten hat, als er des Vaters Zorn über die Sünde voll auf sich nahm. Darum läßt er uns nicht einfach mit unserer Schuld stehen und zittern in ewiger Ungewißheit - noch im Tode. Er reinigt uns durch das Blut Jesu, daß er an uns nicht mehr die Sünde sieht, sondern den Einsatz seines Sohnes. Er reinigt uns, damit wir selbst es wagen, ihm den Schmutz unserer Kleider zu bringen, und die Kleider, die unseres Lebens Spuren tragen, bei ihm zu reinigen. Anderes hilft nicht als das, was auf Golgatha geschehen ist. - Merken wir, wie gut es ist, mit unseres Lebens Tatsachen dem Herrn Jesus zu begegnen, und wie schlimm es ist, sich selbst was vorzulügen? Wir werden doch nicht am Evangelium Gottes vorbeilaufen und vorbeileben, ohne es für uns in Anspruch zu nehmen!